Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition)
Reisetempo etwas verlangsamte, kamen die drei dennoch zügig voran, was vor allem daran lag, dass die Pausen jetzt deutlich kürzer waren. Bedrichs aufwendiges Kochen hatte viel Zeit in Anspruch genommen. Nun gaben sie sich mit harten Würsten, Brot und Käse zufrieden und aßen Früchte, die es zu dieser Jahreszeit im Überfluss gab. Sie rasteten meist nur kurz und ritten dennoch gestärkt weiter.
Kurz vor Limoges stellte Jana fest, dass die beiden Kleider, die sie abwechselnd trug, in den letzten Wochen sehr gelitten hatten. Sie waren bei der Abreise schon nicht mehr ganz neu gewesen, aber nach wochenlangem Tragen bei jeder Wetterlage sahen sie nicht nur mitgenommen aus, sondern hatten Löcher und Risse und zahlreiche Flecken, die man selbst mit kräftigem Schrubben nicht mehr entfernen konnte.
»Wie viel Geld haben wir noch?«, fragte Jana den Arzt vorsichtig. Er verwahrte den Geldsack, den sie Abt Nicola abgenommen hatten.
»Warum fragt Ihr?«
»Ich brauche ein neues Kleid.«
Pfeiffer musterte sie von Kopf bis Fuß und meinte: »Wir haben so viel Geld, dass Ihr eine ganze Reisetruhe voll Kleider kaufen könntet. Aber was ist so schlecht an dem, das Ihr gerade anhabt? Es sieht doch noch ganz passabel aus.«
»Es hat Löcher, Risse und Flecken, genau wie das andere. Und das hier ist zudem noch ein Winterkleid, in dem ich zurzeit ganz fürchterlich schwitze.«
»Wenn es uns nicht zu viel Zeit kostet, könnt Ihr in Limoges gerne zu einem Tuchhändler gehen. Laut Karte sollten wir die Stadt bald erreichen«, sagte Pfeiffer und warf einen Blick auf das Papier in seiner Hand. Pfeiffer hatte die Karte in Cluny bei einem Drucker erstanden, in den letzten Tagen hatte sie ihnen gute Dienste erwiesen und sich als äußerst präzise erwiesen. Sie stand den alten Karten, mit denen sein Freund ihn ausgestattet hatte, in nichts nach.
Aber trotz der guten Karte hatten sie oft Umwege machen müssen. Querliegende Baumstämme, Geröll und schlammüberflutete Wege hatten die Reise und das Weiterkommen immer wieder erschwert.
Wenig später ritten sie auf Limoges zu und überquerten die Vienne über die Brücke von Saint Martial. Auf der anderen Seite waren bereits die ersten Fachwerkhäuser der Stadt zu sehen.
»Seht nur, wie hoch die Stadtmauer ist!«, sagte Jana und bestaunte ein enormes Bauwerk, das gut und gerne zwölf Meter in die Höhe ragte.
»Offensichtlich haben die Einwohner große Angst vor Feinden«, meinte Pfeiffer.
Sebastian war zu ihnen aufgerückt und meldete sich jetzt zu Wort: »Meine Grandpère ’at gesagt, die Stadt war vor fast dreihundert Jahren von die Engländer geplündert. Der schwarze Prinz ’at getötet über dreitausend Menschen. Seitdem ’aben alle Angst vor Feinde und ’assen die Engländer.«
»Der Mann hat dreitausend Menschen töten lassen?«, fragte Jana entsetzt. »Warum das denn?«
Sebastian zuckte mit den Schultern: »Isch ’abe vergessen warum genau, aber isch glaube, dass Limoges ’at ge’ört die Engländer, aber die Menschen nischt ’aben akzeptiert.«
»Ich nehme an, dass sie ihn danach als Herrscher angenommen haben. Zumindest jene, die überlebt haben«, meinte Pfeiffer trocken.
Doch Sebastian schüttelte den Kopf. »Isch glaube nein. Es nischt ’at lange gedauert, und die Engländer musste wieder gehen.«
»Auf alle Fälle ist die Stadt wunderschön. Seht Euch nur all die herrlichen Kirchen an! Was ist denn das da vorne?« Jana streckte den Arm aus und deutete auf ein offenes, rundes Bauwerk. Es sah aus wie eine riesige Bühne, die mit Steinstufen umgeben war.
»Das ist ein altes Amphitheater«, erklärte Pfeiffer. »Hier findet man sie überall. Die Römer haben diese Stätten gebaut und hier ihre Theaterstücke gespielt.«
»Was für eine wundervolle Idee!«, sagte Jana. »Stellt Euch vor, es gäbe solche Gebäude überall, dann müssten Ludwig und Antonio nicht ständig ihre eigene Bühne aufbauen. Sie könnten sich einfach in die Mitte des Theaters stellen und spielen.«
Pfeiffer lächelte über Janas Begeisterung.
»Auf meiner Karte sind einige uralte römische Straßen eingezeichnet«, bemerkte er. »Eine davon, die Via Agrippa, führt direkt nach Lyon. Schade, dass keine davon nach Bordeaux geht.«
Die Straßen und Gassen der Stadt wurden nun enger, und die drei stiegen ab. Jana tätschelte Marie den Hals und versprach dem Tier so bald wie möglich frisches Wasser, Heu und einen gemütlichen Stall.
»Dort vorne scheint ein Markt zu sein«, sagte Jana.
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