Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition)
zum Jesuitenkloster fragen, denn Sebastian führte sie schnurstracks hin. Jana wusste nicht, was sie mehr bewundern sollte, das rege Treiben in der geschäftigen Stadt oder die Überreste aus der Antike, die man auf Schritt und Tritt sah.
Sebastian erklärte ihnen, Bordeaux sei während der Römerzeit eine große Handelsstadt gewesen. Auch hier gab es Überreste eines Amphitheaters.
Sie überquerten einen belebten Marktplatz, auf dem es nach Fisch und anderem Meeresgetier roch, die über die Garonne täglich frisch in die Stadt gebracht wurden. Dann standen sie vor dem Eingang des Jesuitenklosters.
Sebastian klopfte an den kleinen Seitenflügel des Hauptportals, und schon nach kurzer Zeit öffnete sich ein kleines Fenster in der Tür.
Sebastian sprach den Mönch in seiner Muttersprache an. Jana vermutete, dass er erklärte, wer er sei, und dass er mit seiner Mutter sprechen wolle.
Gleich darauf öffnete sich die kleine Tür, und ein untersetzter Mönch mit kurzem grauen Haar und rundem Gesicht schloss Sebastian freudig in die Arme.
»Enfin tu est içi!« , rief der Mönch, und Jana sah Tränen der Freude in seinen kleinen dunklen Augen.
Sebastian stellte seine neuen Freunde vor und erklärte, dass sie kaum Französisch sprachen. Sofort wechselte der freundliche Mönch ins Lateinische.
»Ich bin Bruder Gerard, der Bibliothekar des Klosters, und ich freue mich, dass Sebastian wieder hier ist. Seine Freunde sind auch meine Freunde, und ich werde Euch alle sofort zu Louise bringen. Sie wird es kaum glauben können, dass sie ihren kleinen Sebastian wieder in die Arme schließen kann. Wie traurig war sie, als sie dich fortgeschickt haben!« Die Worte sprudelten nur so heraus aus dem kleinen Mann, und er legte väterlich einen Arm um die Schultern des Jungen. Für einen Moment lehnte sich Sebastian vertrauensvoll an ihn. Er sah sichtlich erleichtert aus. Dann löste er sich von Bruder Gerard und lief vor den Erwachsenen her zur Klosterküche.
Jana und Pfeiffer folgten Sebastian und den köstlichen Kochdüften über einen gekiesten Weg, vorbei an Kräuter- und Blumenbeeten, Obstbäumen und Haselnusssträuchern bis zu einem mit roten Ziegelsteinen gedeckten Seitengebäude aus massivem Stein. Aus einem breiten Schornstein stieg heller Rauch auf.
Jana betrat als Letzte den dunklen Raum, der sich zwei Stufen unterhalb des Kräutergartens befand. Augenblicklich drang ihr eine Fülle von Gerüchen entgegen, Thymian, Basilikum, Knoblauch, Liebstöckel, Speck, Käse, geräucherter Fisch und frischgebackenes Brot. Am liebsten wäre sie einfach stehen geblieben, hätte die Augen für einen Moment geschlossen und alles in sich aufgenommen.
Als sie sich allmählich an das Halbdunkel gewöhnt hatte, sah sie vor sich eine langgestreckte, saubere und ordentliche Küche. An den Wänden hingen blankgescheuerte Pfannen in unterschiedlichen Größen, von einem Deckenbalken baumelten Büschel getrockneter Küchenkräuter, Knoblauchzöpfe und Würste. In hohen Regalen an der Rückwand standen Vorratsdosen, die alle mit kleinen Schildern versehen waren. Jana fühlte sich an Prag erinnert, es sah fast so aus wie in Onkel Karels Apotheke. Das Herzstück des riesigen Raums bildete ein überdimensionaler Herd, über dem sich ein großer Rauchfang befand. Hinter diesem Herd stand eine kleine zierliche Frau, sie war ganz offensichtlich für dieses Reich verantwortlich.
Sebastians Mutter hatte die dunklen, traurigen Augen ihres Sohns und das gleiche feingeschnittene Gesicht. Unter ihrer hellen Haube blitzte kastanienbraunes Haar hervor.
Als sie den Jungen erblickte, stieß sie einen Freudenschrei aus, so hoch und laut, dass man ihn wohl bis zur Kathedrale hören konnte. Der Junge stürzte sich in ihre ausgebreiteten Arme, und die beiden konnten ihr Glück kaum fassen.
Jana war gerührt von der Wiedersehensfreude der beiden und wollte nicht stören. Sie trat in den hinteren Teil der Küche und bestaunte die Ansammlung von Gewürzen und Vorräten.
»Wenn Bedrich das sehen könnte!«, sagte sie leise zu sich selbst und bemerkte nicht, dass Pfeiffer dicht hinter ihr stand.
»Der Koch ist wohl ständig in Euren Gedanken«, sagte er vorwurfsvoll.
Jana schüttelte den Kopf. »Nein, aber diese Küche hätte ihm gefallen, dessen bin ich mir sicher.«
Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, trat Sebastians Mutter Louise auf sie zu, umarmte Jana und küsste sie auf beide Wangen.
»Sebastian hat mir eben gesagt, dass Ihr ihn gerettet und zu mir
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