Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition)
zurückgebracht habt. Habt vielen Dank!«
Sie wandte sich zu Pfeiffer um, der ebenfalls einer Umarmung der glücklichen Mutter nicht entkam.
»Ich würde eher sagen, dass Euer Sohn sich selbst gerettet hat«, erwiderte er verlegen, als sie ihn wieder losließ. »Und ich frage mich, ob der Abt dieses Klosters hier sich über Sebastians Rückkehr auch so freut, schließlich ist der Junge aus Dijon davongelaufen.«
»Mon Dieu!« , rief Louise entsetzt. »Sollte Abt Etienne versuchen, Sebastian noch einmal fortzuschicken, werde ich mitgehen. Ich lasse nicht zu, dass mir mein Kind noch einmal weggenommen wird. Schließlich ist er alles, was ich habe.«
Erneut schloss sie Sebastian in ihre Arme, weinte und küsste ihn auf seinen blonden Haarschopf. Dann wies sie alle an, rund um den schweren Tisch im rückwärtigen Teil der Küche Platz zu nehmen, und sagte: »Die Rückkehr muss gefeiert werden. Ihr habt sicher alle großen Hunger.«
Kaum hatten Sebastian, Jana und Pfeiffer sich auf der hölzernen Bank niedergelassen, tischte ihnen Louise auch schon die feinsten Leckerbissen auf. Gebratenen Fisch, gekochte Muscheln in Knoblauchsoße, frisches Brot mit Rosmarinöl, würzigen Käse, süße Weintrauben und als Krönung Rotwein aus der Gegend.
»Wein aus Bordeaux ist der beste in ganz Frankreich«, erklärte sie stolz. »Er wird bis in den hohen Norden geschickt. Angeblich trinkt der schwedische König ausschließlich Rotwein aus unserer Stadt.«
Jana, die zum Frühstück bloß eine Scheibe trockenes Brot gegessen hatte, langte ordentlich zu. Besonders gut schmeckten ihr die Muscheln, die sie nicht kannte. Pfeiffer saß mit angeekeltem Gesichtsausdruck neben ihr und beobachtete sie.
»Wie könnt Ihr Tiere essen, die so schleimig wie Schnecken sind?«, fragte er leise.
Louise, die ihn gehört, aber nicht richtig verstanden hatte, meinte: »Es tut mir leid, aber im Moment haben wir keine Weinbergschnecken. Die Brüder haben letzte Woche drei Mal danach verlangt, und nun können wir in den Weinbergen beim besten Willen keine mehr finden.«
Pfeiffer riss entsetzt die Augen auf, legte das letzte Stück Brot auf den Rand seines Tellers und hatte genug. Der Appetit war ihm sichtlich vergangen.
Als alle satt waren, meinte Jana anerkennend: »Sebastian war uns eine große Hilfe. Es ist ein Segen, dass er so gut Deutsch spricht.«
Daraufhin erzählte Louise, wie es kam, dass sie in Bordeaux gelandet war. »Ich selbst stamme aus Straßburg, wo ich sowohl Deutsch als auch Französisch gelernt habe. Mit meinem Mann, einem Kaufmann aus Bordeaux, bin ich hierhergekommen. Mit Sebastian habe ich mich immer in meiner Muttersprache unterhalten. Aber wie viele Kinder, die zwei Sprachen sprechen und nur eine davon schreiben können, verwechselt er immer noch Wörter und hat einen starken Akzent. Außerdem kommt hinzu, dass man in Bordeaux selbst zwei Sprachen spricht, die nördliche Langue d’Oil und die Langue d’Oc des Südens. Hier im Kloster sprechen viele die nasale Sprache des Nordens, es gibt aber auch Menschen, die jene des Südens verwenden, was oft zu Missverständnissen und Verwirrung führt.«
Jana konnte das gut verstehen, sie kannte die Probleme der Zweisprachigkeit aus Prag. Es gab viele deutsch sprechende Prager, die tschechische Wörter verwendeten, und umgekehrt. Dass es innerhalb Frankreichs verschiedene Sprachen gab, war ihr neu. »Ich wünschte, ich würde Eure Sprache so gut sprechen wie Sebastian die meine«, seufzte sie. In den letzten Wochen hatte Jana den melodiösen, weichen Klang des Französischen lieben gelernt.
Louise sah sie an und fragte: »Ich nehme an, dass Ihr nicht ausschließlich wegen Sebastian nach Bordeaux gekommen seid? Was führt Euch so weit in den Westen?«
»Wir sind auf der Suche nach dem Reisetagebuch eines Mönchs, von dem wir vermuten, dass es sich in diesem Kloster befindet«, sagte Jana ehrlich und geradeheraus.
»Gerard ist unser Bibliothekar, er weiß über alle Bücher im Kloster Bescheid.« Die Köchin zeigte auf den rundlichen Mönch, der sich gerade genussvoll den Mund mit dem Handrücken abwischte. Sie erklärte ihm Janas Anliegen auf Französisch, und er antwortete auf Latein. Jana fand die bunte Mischung aus drei Sprachen erfrischend und spannend zugleich.
»Ein Reisetagebuch, sagt Ihr?«
Jana nickte, und Pfeiffer holte die ersten beiden Teile aus seiner Tasche. »Wir nehmen an, dass der dritte Teil genauso aussieht.«
Bruder Gerard nahm die Bücher in die Hand,
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