Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition)
von Janas Kopf. Die kleine Tür zur Kajüte wurde aufgerissen, und Doktor Pfeiffer stand aufgelöst und blass auf der Schwelle.
»Das Schiff ist auf einen Felsen aufgelaufen und kentert, wir müssen von Bord«, rief er. »Kommt schnell!«
Er packte das kleine Holzfass, das er in eine Ecke der Kajüte gestellt hatte, Jana rappelte sich mühevoll auf und folgte Pfeiffer. Er drängte sich an Kisten und Säcken vorbei, die sich aus den Befestigungen gelöst hatten und den Durchgang versperrten.
»Was ist mit Marie?«, rief Jana entsetzt.
»Ihr könnt das Tier nicht retten«, sagte Pfeiffer ernst. Aber Jana hangelte sich an Stricken und Balken entlang bis in den Laderaum und band das Tier los. Das Pferd rollte nervös mit den Augen und schnaufte.
Jana versuchte, es zu beruhigen. Sie streichelte es ein letztes Mal und küsste das weiche Fell.
»Ich wollte dich nicht in diese Situation bringen. Es tut mir leid«, flüsterte sie in Maries Ohr. »Bitte pass auf dich auf.«
Ein weiterer Schlag erschütterte das Schiff, und dann krachte Holz so laut, dass Jana erschrocken zusammenfuhr.
»Das Schiff bricht in der Mitte entzwei!«, rief Pfeiffer aufgeregt. Er hatte ein weiteres kleines Fass gepackt und drückte es Jana in die Hand. »Kommt jetzt endlich!«, rief er.
Auf Deck rannten die Männer wie aufgescheuchte Hühner aufgeregt auf und ab. Das Rettungsboot war über Bord gegangen, und nun suchte sich jeder ein Fass, ein Brett oder ein Stück Balken, an das er sich klammern konnte. Der Wind peitschte mannshohe Wellen über die Planken. Pfeiffer wurde von einem ungesicherten Baum erwischt und auf die andere Seite des Schiffes geschleudert. Er rief Jana etwas zu, aber sie konnte ihn nicht verstehen. Der Sturm schluckte seine Worte.
Jana sah, dass er sich verbissen an sein Fass klammerte. Hatte er nicht einmal gesagt, dass er kaum schwimmen konnte? Die nächste Welle erfasste Jana und spülte sie mit einer Leichtigkeit über Bord, als wäre sie eine Feder. Das Fass, das der Arzt ihr gegeben hatte, wurde fortgerissen, und die Wellen schlugen über ihrem Kopf zusammen.
Jana schnappte nach Luft, schluckte Salzwasser und kam hustend und keuchend wieder an die Oberfläche. Ihre Röcke saugten sich schwer mit Wasser und zogen sie nach unten. Verzweifelt versuchte sie, sich den Stoff vom Leib zu reißen. Das Wasser um sie herum toste. Als ihr Rock sich endlich gelöst hatte, konnte sie sich besser bewegen. Sie versuchte ein paar Schwimmbewegungen, aber die nächste Welle brach über ihr zusammen und drückte sie ins Salzwasser. Jana tauchte wieder auf, schnappte erneut nach Luft. Wo war Pfeiffer? Er konnte nicht gut schwimmen. Er würde hilflos ertrinken. Das Ufer war nur wenige Meilen von Jana entfernt und doch zu weit, um es zu erreichen. Sie brauchte etwas, woran sie sich festhalten konnte. Wo war das Fass?
Ein abgebrochener runder Stamm trieb auf sie zu. Jana griff danach, rutschte aber ab. Das Holz tauchte unter und wurde gleich wieder an die Wasseroberfläche gedrückt. Diesmal bekam Jana es zu fassen und klammerte sich mit Armen und Beinen verzweifelt an das runde Holz. Jana zitterte und fror, ihre Zähne klapperten, aber sie spürte die Kälte nicht. Alles, woran sie denken konnte, war das Ufer. Sie musste es erreichen, egal, wie. Wild strampelte sie nun mit den Beinen und bemühte sich gleichzeitig, das Holzstück nicht loszulassen. Erneut schluckte sie Wasser, hustete, bekam keine Luft mehr, hatte Angst zu ersticken und paddelte weiter. Irgendwann, sie war am Ende ihrer Kräfte, erfasste sie erneut eine Welle, drückte sie unter Wasser und nahm ihr die Luft zum Atmen. Es wurde schwarz um sie. In ihren Ohren surrte es, und eine sanfte Dunkelheit umfing sie. Jana verlor das Bewusstsein.
Am Strand
V OGELGEZWITSCHER UND EINE WARME raue Zunge, die unaufhörlich über ihre Wange leckte, weckten sie. Die Sonne stand hoch über dem Horizont, sicher war es weit nach Mittag. Vorsichtig blinzelte Jana und rieb sich die Augen. War das der Himmel? War sie tot? Ihr Mund war ausgetrocknet, sie hatte furchtbaren Durst.
Eine freundliche tiefe Stimme sagte etwas in einer Sprache, die Jana nicht verstand. Jana wandte suchend den Kopf und sah zuerst einen grauweiß gefleckten, zotteligen Hund und dann eine kleine rundliche Frau mit einem apfelförmigen Gesicht, rosigen Wangen und Haaren in derselben Farbe wie das Fell ihres Hundes. Dichte Büschel schauten unter der weißen Haube hervor. Sie redete beruhigend auf Jana ein, half ihr
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