Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition)
gesunden Hand erneut unter die Kutte und holte noch einen Pfeil hervor. Schreiend vor Wut und Schmerz warf er sich auf Tomek und bohrte ihm die vergiftete Pfeilspitze tief in die Brust.
Das Gift wirkte nicht sofort, noch hatte Tomek Kraft, die er nutzte, um noch einmal mit dem Schwert zuzuschlagen. Er erwischte den Mann am Oberschenkel und fügte ihm eine tiefe Wunde zu. Dann brach er neben Jendrik zusammen.
Der Mann aus Rom ergriff Tomeks Schwert und rammte es ihm mitten ins Herz. Der Soldat starb rasch und fast schmerzfrei.
Dann fluchte der Verletzte und schleppte sich zur offenen Tür, wo der alte Pförtner mit angstgeweiteten Augen auf das Blutbad im Zimmer des Abtes starrte. Aus der fingerlosen Hand tropfte Blut, ebenso aus dem Oberschenkel.
»Ruft den Bruder der Krankenstation, ich brauche einen Verband«, zischte der Mann mit zusammengepressten Zähnen.
Unterdessen hatte das Gift in Jendriks Körper zu wirken begonnen. Er konnte sich nicht mehr bewegen und nicht mehr sprechen. Aber er wusste, dass Tomek gekommen war, um ihm zu helfen, und die Gefühllosigkeit und Gleichgültigkeit waren verflogen. Die gähnende Leere in seinem Inneren füllte sich erneut mit Liebe, auch wenn es nun zu spät war. Aber wenn es stimmte, dass das Leben nach dem Tod wundervoller und herrlicher war als das irdische, dann gab es jetzt etwas, worauf er sich freuen konnte. Jendrik war davon überzeugt, dass er Tomek wiedersehen würde, und dort, wo sie sich begegnen würden, galten andere Regeln. Gottes Liebe war groß. Während er zum leblosen Körper seines Freundes sah, wurde sein Atem langsam schwächer. Alles war gut, er fühlte sich frei.
Auf dem Meer
A M NÄCHSTEN M ORGEN machten Jana und Doktor Pfeiffer sich eine Stunde vor Sonnenaufgang auf den Weg zum Hafen. Jana war überrascht über das rege Treiben zu so früher Stunde. Die ersten Fischerboote fuhren bereits aufs Meer hinaus, zwei der großen Schiffe wurden gerade beladen und die ›Santa Maria‹ war seeklar.
Über einen wackeligen Holzsteg führte der Kapitän Don Juan Pedro Janas Pferd Marie und den Hengst von Doktor Pfeiffer aufs Schiff. Nur widerwillig betraten die Tiere den schrägen Übergang. Marie blieb zweimal stehen, sie setzte ihren Weg erst fort, als Jana von hinten beruhigend auf sie einsprach.
Die Tiere wurden im Laderaum des Schiffs zwischen Fässern und Säcken festgebunden. Der Kapitän hatte frisches Stroh und Heu für die Pferde besorgt, was Jana ihm hoch anrechnete. Sie selbst bezog eine winzige Kammer, die kaum mehr als zwei Schritt lang und einen breit war. Zwei Hängematten befanden sich darin und ein kleiner Tisch mit einem wackeligen Hocker, das war alles. An der Wand hingen ein einfaches Kruzifix und eine kleine bunte Statue der Madonna. Es gab kein Tageslicht, bloß eine rußende, übelriechende Laterne, die für flackerndes Licht sorgte.
»Das ist ein Gefängnis!«, sagte Jana entsetzt.
»Ihr wolltet doch nach Lissabon reisen«, entgegnete Pfeiffer. Er fand die Kammer ebenso beengend wie Jana, aber im Unterschied zu ihr konnte er an Deck gehen und sich dort die Beine vertreten. Was er auch sofort tat, um zu sehen, wie das Schiff aus dem Hafen fuhr.
Schon nach kurzer Zeit stellte sich heraus, dass Jana nicht seefest war. Das ständige Schwanken und die stickige Luft in der winzigen Kajüte führten dazu, dass sie innerhalb kürzester Zeit ihr Frühstück in einen Eimer erbrach und sich einfach nur elend fühlte.
Als Pfeiffer wieder zu ihr kam, rümpfte er die Nase ob des säuerlichen Geruchs und trug den Eimer weg. Jana hockte am Boden in einer Ecke, hatte die Knie fest an den Oberkörper angezogen und wimmerte.
»Ich glaube, dass sich das Sterben so anfühlt«, sagte sie leise.
»Keine Angst, so schnell stirbt man nicht«, erklärte der Arzt und reichte ihr ein Stück hartes Brot. »In einem meiner schlauen Bücher, über die Ihr so gerne lästert, steht, dass es hilft, den Magen mit leichtverdaulichem Essen zu beruhigen.«
Jana nahm das Brot, aber allein der Gedanke daran, davon abzubeißen, löste erneut einen Würgreflex bei ihr aus.
»Ist Euch denn gar nicht übel?«, fragte sie.
Pfeiffer schüttelte den Kopf. »Bis jetzt nicht.«
Jana legte den Kopf auf die Knie und schloss die Augen. Sie versuchte, dem Wellengang nachzuspüren und mit dem Schlingern des Schiffes mitzuschwingen, aber ihre Übelkeit wurde dadurch nur noch größer.
»Bitte gebt mir noch einmal den Eimer«, bat sie.
Rasch reichte Pfeiffer ihr den
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