Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition)
auf den Hintern und strahlte eine Zufriedenheit aus, die Jana wütend machte. Die Vorstellung, mit Tomek verheiratet zu sein, erschien ihr immer unerträglicher.
Eine Woche nachdem Bedrich die Stadt verlassen hatte, trafen nacheinander zwei Boten aus Heidelberg ein. Der erste überreichte Jana ein Päckchen, der andere kam nur wenige Stunden später und gab ihr einen Brief für ihren Onkel. Beides musste warten, denn Jana half gerade Onkel Karel beim Destillieren von Rosmarinöl, eine knifflige Angelegenheit. Beim letzten Mal waren ihm zwei der teuren Kolben zersprungen, und die ganze Apotheke hatte wochenlang nach gebratenem Hühnchen gerochen. Die winzigen Glassplitter lagen immer noch in engen Ritzen zwischen den Regalen und warteten darauf, dass jemand hineingriff und sich schnitt.
Auch wenn Onkel Karel das nie zugegeben hätte, Jana war weitaus geschickter im Umgang mit dem Destilliergerät als er selbst. Sie wusste genau, wann es Zeit war, die Temperatur zu drosseln, und wann die Flamme mehr Luft brauchte. Erst als der letzte Tropfen des kostbaren dickflüssigen Öls in kleine dunkle Glasflaschen abgefüllt war, widmete sich Jana der Post.
»Der Brief ist für dich«, sagte sie und reichte Onkel Karel einen blauen Umschlag. Der alte Mann säuberte sich die Hände mit einem Wolltuch, schob sich die Brille auf die schmale, spitze Nase und brach das Siegel auf. Er überflog die Zeilen und wurde blass. Schließlich sank er kreidebleich auf den hohen Stuhl vor seinem sauberen Destilliergerät und starrte fassungslos auf das Papier in seinen zitternden Händen.
»Was ist passiert?«, fragte Jana, die ihr Päckchen noch ungeöffnet in den Händen hielt. Es war von ihrem Vater, das verriet die Absenderangabe.
Langsam hob Karel den Kopf, seine Augen waren feucht. Von einem Augenblick zum nächsten schien er um Jahre gealtert, wie ein Greis hockte er vor ihr und reichte Jana den Brief.
»Marek ist tot.«
»Was?« Janas Herz setzte kurz aus, um dann in rasend schnellem Tempo weiterzuschlagen. »Das kann nicht sein. Er hat mir ein Päckchen geschickt.« Zum Beweis streckte sie ihrem Onkel das Paket entgegen, um es gleich darauf wieder an sich zu drücken. So als könnte der Gegenstand an ihrer Brust sie vor dem Inhalt des Briefes schützen.
Aber Karel schüttelte traurig den Kopf. »Lies selbst.«
Nur widerwillig nahm Jana das Schreiben entgegen und überflog es. Der Brief stammte vom Rektor der Universität in Heidelberg und teilte in sachlichen, kalten und unpersönlichen Worten mit, dass Marek Jeschek nicht mehr an der Universität unterrichte, weil er überraschend verstorben sei. Die Ursache des Todes habe nicht vollständig geklärt werden können, offenbar habe es sich um eine seltene Krankheit gehandelt, die rasch zum Tod geführt hatte. Das noch offene Gehalt werde man für sein Begräbnis verwenden, was dann noch übrig sei, gehe an die Vermieterin, die ehrbare Witwe Greiner. Ebenso die paar privaten Gegenstände, Kleidung und eine Reisetruhe, denn die Miete für den laufenden Monat sei noch nicht bezahlt. Ein paar nichtssagende Worte der Anteilnahme beendeten den Brief.
Jana las die Zeilen noch einmal. Doch die Buchstaben, die wohl von einem Sekretär der Universität hastig aufs Papier gesetzt worden waren, verschwammen ihr vor den Augen.
»Plötzlich verstorben!« Die Worte hallten in ihrem Kopf wider. Was für eine seltsame Krankheit sollte das gewesen sein? Am liebsten hätte Jana einen Reisesack gepackt und wäre auf der Stelle nach Heidelberg gefahren. Sie wollte ihren Vater noch einmal sehen. Wollte wissen, wie er aussah, ob er gelitten hatte, als er starb. Sie musste sich doch von ihm verabschieden, ihn vor seiner letzten Reise noch ein letztes Mal berühren!
»Ich muss zu ihm … nach Heidelberg. Vielleicht … ist er gar nicht tot, … sondern bloß krank. Eine seltsame Krankheit … Was soll das denn heißen?« Janas Worte wurden von Tränen erstickt.
Onkel Karel griff mit seiner alten knochigen Hand nach Janas und streichelte sie voll Mitleid. Seine Haut fühlte sich so trocken an wie teures Pergament. Jana ließ sich neben ihm auf einen der Hocker sinken.
»Ich kann es auch nicht glauben«, sagte der Onkel. »Aber wir müssen uns den Tatsachen stellen. Niemand von uns kann den weiten Weg nach Heidelberg fahren, um an Mareks Begräbnis teilzunehmen. Außerdem hat es wohl schon stattgefunden, in dem Brief steht, dass mein Bruder vor zehn Tagen verstorben ist. Sicher liegt er schon unter
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