Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition)
danach gesehnt, sie wiederzusehen! Jetzt war es so weit. In wenigen Stunden würde er bei ihr sein, so wie sie es ihm versprochen hatte, damals, als sie fiebernd in seinen Armen eingeschlafen war. Anna hatte ihre Versprechen immer gehalten, sicher wartete sie schon auf ihn. Plötzlich war das Sterben gut.
Prag
E TWAS FLOG GEGEN die kleine Fensterscheibe aus Butzenglas in Janas Kammer, vielleicht ein Vogel, der dagegen geprallt war. Doch kaum hatte Jana die Decke wieder über den Kopf gezogen, ertönte das Geräusch noch einmal und dann noch einmal. Das war ganz sicher kein Vogel. Und wenn doch, dann wollte dieser Vogel, dass sie aufstand.
Widerwillig schlug sie die Decke zurück, schwang die Beine aus dem Bett. Der Holzboden war unangenehm kalt. Rasch trippelte sie auf Zehenspitzen zum Fenster und öffnete es. Sie blinzelte in die Finsternis und konnte unter ihrem Fenster eine Gestalt ausmachen, die ihr zupfiff.
»Bedrich!«, flüsterte Jana überrascht. »Was machst du hier?«
»Bitte komm runter, ich muss dringend mit dir sprechen.«
»Mitten in der Nacht?«
»Es ist wichtig.«
»Ich komm ja schon.« Jana schloss ihr Fenster wieder, dabei glaubte sie allerdings zu hören, wie sich anderswo ein Fensterladen öffnete. Oder war es bloß die Katze, die auf dem Dach unterwegs war?
Rasch suchte Jana im Dunkeln nach ihrem Mantel, schlüpfte in die Holzpantoffeln und stieg so leise und vorsichtig, wie sie konnte, die Holztreppe hinab. Bei jedem Schritt knarrten die alten Bretter unter ihr. Hoffentlich weckte sie mit dem Lärm niemanden auf!
In der Küche verfluchte sie sich selbst. Warum hatte sie bloß keine Kerze mitgenommen? Es war so finster, dass sie kaum die Hand vor den Augen erkennen konnte. Jana tastete sich die Wand und die Regale entlang, fasste versehentlich in einen Topf voll eingelegter Gurken und konnte im letzten Moment verhindern, dass er samt Inhalt auf den Boden krachte. Endlich stand sie an der Eingangstür. Sie griff nach der Türklinke und dem Schlüssel, der im Schlüsselloch steckte, drehte ihn um und öffnete. Gut, dass die Tür erst letzte Woche geölt worden war!
Jana schlüpfte ins Freie. Der Mond war beinahe voll, und auf dem Platz war es deutlich heller als im Haus. Bedrich hockte auf der kleinen Stufe vor dem goldenen Brunnen mit dem schmiedeeisernen Käfig. Als er Jana sah, sprang er auf und trat auf sie zu. Er sah müde aus. Sicher hatte er bis gerade eben in der Küche des Gasthauses gestanden. Er ergriff ihre Hände. Eine davon war feucht vom Essiggurkenwasser, aber Bedrich störte sich nicht daran. Er zog Jana an sich.
»Jana, ich musste dich allein sehen. In der Apotheke sind immer so viele Leute, dass ich nie ungestört mit dir sprechen kann.«
Seine Augen blickten besorgt. Dunkle Schatten lagen darunter.
»Was ist denn los?«, fragte Jana und löste sich geschickt aus seiner Umarmung. Bedrich roch nach gerösteter Zwiebel und Rosmarin. Janas Magen knurrte, sie hatte das Abendessen völlig vergessen.
Bedrich kam wie immer sofort zur Sache. »Es wird einen Aufstand geben. Graf Thurn plant, die katholischen Ratsherren anzugreifen und die Macht zu übernehmen«, sagte er. Lange Reden und blumige Formulierungen lagen ihm nicht. Was er zu sagen hatte, das sagte er, der Rest blieb unausgesprochen in seinem Kopf.
»Woher weißt du das?«, fragte Jana betroffen.
»Aus sehr zuverlässiger Quelle.« Bedrich wollte seinen Informanten offenbar nicht verraten. Er fuhr fort: »Mein Vater, meine kleinen Brüder und ich werden noch diese Woche die Stadt verlassen und nach München ziehen. Er hat bereits alles in die Wege geleitet und heute das Wirtshaus verkauft. Wir brechen in den nächsten Tagen auf.«
Jana trat erschrocken einen Schritt zurück und wäre dabei fast über die kleine Stufe gestolpert, die zum Brunnen hinaufführte. Bedrich fing sie auf, so dass sie sich bloß schmerzhaft die Ferse aufschlug. Sie spürte, wie warmes Blut in ihren Holzpantoffel sickerte.
Bedrich nutzte die Situation aus und zog Jana wieder näher zu sich heran. Eine angenehme Wärme ging von ihm aus. Kurz war Jana geneigt, sich einfach von ihm halten zu lassen, um in Ruhe über das Gehörte nachdenken zu können. Aber dann löste sie sich doch von ihm.
»Liebste Jana, ich weiß, dass dies nicht der richtige Augenblick für einen Heiratsantrag ist. Aber ich bitte dich inständig, werde meine Frau und komm mit mir nach München. Mein Vater wird dort ein neues Wirtshaus eröffnen. Auch wenn ich das
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