Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition)
Pflanzen, die sie als Apothekerin bis jetzt nur in getrocknetem, zerriebenem Zustand kennengelernt hatte.
Je näher sie der Stadt Freiburg kamen, umso voller wurde Janas Reisesack. Bald würde nichts mehr darin Platz haben. Ganz allmählich führte der Weg wieder abwärts, und auf einer der letzten Anhöhen vor der Stadt sah man bereits die Dächer von Freiburg.
Die Stadt lag malerisch in einem weiten Tal. An den vielen Kirchturmspitzen erkannte man, dass auch hier die Katholiken das Sagen hatten. Freiburg lag in den Händen der Habsburger. Im Zentrum ragte der hohe Turm eines riesigen Münsters stolz in den Himmel.
Aber auch wenn Jana es stets genoss, eine neue Stadt kennenzulernen, sobald sie durch das Stadttor nach Freiburg ritten, ergriff Beklemmung von ihr Besitz. Das lag jedoch nicht an der reichen Handelsstadt, sondern am bevorstehenden Abschied von der Truppe. Die Schauspieler waren Jana ans Herz gewachsen, und der Gedanke, sie nie wiederzusehen, machte sie traurig.
Vor dem Freiburger Münster, das dem in Ulm in nichts nachstand, kletterte Bedrich aus dem Wagen, spannte sein Pferd aus und holte die Gepäckstücke, die ihm, Jana und Pfeiffer gehörten, aus dem Wageninneren. Seltsam leer war die Holzkiste nun.
Rosa umarmte Jana herzlich und trat auf Doktor Pfeiffer zu. Der Arzt machte rasch einen Schritt zur Seite, als er bemerkte, dass die Frau auch ihn drücken wollte, aber er entkam ihr nicht.
»Ohne Eure Hilfe wäre mein Sohn jetzt tot«, sagte Rosa. Sie ignorierte Pfeiffers Unbehagen und presste ihn an ihren Busen. »Ich werde Euch ewig dankbar sein.« Mit unsicherem Gesichtsausdruck löste Pfeiffer sich rasch von ihr.
»In zwei bis drei Wochen sollte er das Bein wieder belasten können«, sagte er. »Aber solange er noch starke Schmerzen hat, muss er weiterhin liegen.«
»Ich werde dafür sorgen«, versprach Rosa.
»Und macht Euch keine Gedanken, wenn er zunächst schwächlich ist. Seine Muskeln wurden jetzt lange Zeit geschont und müssen erst wieder kräftig werden.«
»Ihr habt ein Wunder vollbracht, und für den Rest werden wir schon sorgen«, sagte Antonio, der nun auch zu ihnen getreten war. Der alte Schauspieler verabschiedete sich zuerst von Jana, dann von Doktor Pfeiffer. Der Arzt trat erneut einen kleinen Schritt zurück, als auch der Südländer Anstalten machte, ihn zu umarmen.
Antonio grinste und unterließ es. Stattdessen klopfte er Pfeiffer freundschaftlich auf die Schulter.
Zuletzt wandte Antonio sich an Bedrich: »Wir werden Eure gute Küche vermissen.« Dabei strich er über seinen Bauch, der in den letzten Wochen deutlich gewachsen war.
Bedrich grinste und schloss ganz im Gegensatz zu Pfeiffer den Schauspieler bereitwillig in die Arme. Er sagte: »Ludwig hat in den letzten Wochen viel von mir gelernt. Ihr müsst einfach frischen Thymian in den Bohneneintopf geben und mit den Zwiebeln sparsam umgehen, dann schmeckt er frischer und raffinierter, und Magen und Darm werden es Euch danken.«
»Wir werden daran denken.«
Zuletzt verabschiedete Jana sich von Kasper und Ludwig. Kasper lag im Wagen und summte. Als er Jana erblickte, hörte er damit auf und lächelte. Aber als er Janas Gesichtsausdruck sah, begann er zu weinen wie ein kleines Kind.
»Sei nicht traurig«, sagte Jana, doch die Worte kamen ihr leer vor. Sie war selbst traurig.
Mit einem Kopfschütteln fuhr sie fort: »Doch, sei traurig, Kasper, denn ich bin es auch. Ich werde dich vermissen.« Sie umarmte den jungen Mann, der sein ganzes Leben über ein Kind bleiben würde. Auch wenn der schreckliche Bruch verheilt war, würde Kasper ohne die Unterstützung seiner Mutter und Menschen wie Antonio, Michael und Ludwig nicht überleben können.
Dann drehte Jana sich um und verließ den Wagen. Antonio und Ludwig saßen bereits auf dem Kutschbock, Ludwig hatte den Proviantwagen hinter den von Antonio gebunden, und langsam setzten sich die beiden Gefährte in Bewegung.
»Wir fahren nur ein kurzes Stück, dann treffen wir die anderen«, sagte Antonio und winkte ihnen ein letztes Mal zu. Jana sah den buntbemalten Wagen mit ihren quietschenden Rädern nach, bis sie endgültig in einer der Seitenstraßen verschwanden.
Nun waren sie wieder zu dritt, und Jana wartete nur darauf, dass die beiden Männer sich in die Haare gerieten. Ihre Befürchtungen bewahrheiteten sich schneller als gedacht. Kaum waren die Schauspieler weg, meinte Bedrich: »Wir sollten uns eine günstige Herberge suchen.«
Er hatte seinen Satz noch nicht
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