Das Syndikat der Spinne
seit dem Telefonat kaum fünf Minuten vergangen. Er sah in die Runde, wünschte einen »guten Tag« und reichte erst Durant, dann Hellmer und zuletzt mit einer freundschaftlichen Geste Berger die Hand.
»Was gibt’s denn so Geheimnisvolles?«, fragte er mit sonorer Stimme und setzte sich.
Müller war knapp einsfünfundsiebzig, hatte dunkles, schütteres Haar und ein von unzähligen Furchen durchzogenes Gesicht. Er war Mitte fünfzig, durchtrainiert, und seine Augen blickten neugierig und blitzten immer wieder kurz auf. Durant kannte ihn, allerdings nicht gut genug, um ihn auch wirklich einschätzen zu können. Dienächsten Minuten würden zeigen, was für ein Mann er war. Sie setzte sich so hin, dass sie ihn genau beobachten konnte.
»Eine ganze Menge«, antwortete Berger und hielt Müller die Schachtel Marlboro hin, der sich eine nahm und sich von Berger Feuer geben ließ. Berger zündete sich ebenfalls eine Zigarette an und sagte nach dem ersten Zug: »Du bist sicherlich schon informiert worden, dass unsere Abteilungen für eine bestimmte Zeit zusammenarbeiten.«
»Ja, und? Wird bestimmt ganz lustig. Hier die guten Bullen vom OK, dort die …« Er lachte als Einziger über seinen Witz, verstummte aber gleich wieder und sah in die Runde. »He, was ist los? Hab ich was Falsches gesagt?«
»Ich will gar nicht lange um den heißen Brei herumreden, lass uns gleich in medias res gehen. Wir haben sichere Informationen, dass in deiner Abteilung einer sitzt, der die Hand aufhält, und zwar in ganz großem Stil. Er verdient sich auf diese Weise etliche zehntausend im Monat dazu.«
»Moment«, fuhr ihm Müller mit zu Schlitzen verengten Augen ins Wort, »sprichst du von knallharten Informationen oder von Spekulationen?«
»Wir haben ein schriftliches Geständnis, das dazu noch auf Band aufgezeichnet wurde. Kannst du dir denken, um wen es sich handeln könnte?«
Müller schüttelte den Kopf. »Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass sich einer von meinen Mitarbeitern etwas hat zuschulden kommen lassen. Ich meine, jeder von uns drückt mal bei einer Lappalie ein Auge zu. Aber große Dinger … Wer soll das denn sein?«
»Fällt dir denn wirklich keiner ein?«, hakte Berger noch einmal nach.
»Nein, absolut nicht. Nun rück schon raus mit der Sprache, wer ist es?«
»Gebhardt. Hellmer und Kullmer haben sich gestern mit ihm unterhalten. Er hat alles zugegeben.«
»Gebhardt?«, fragte Müller sichtlich erschüttert. »Ausgerechnet der?«
»Genau der. Du kannst gerne lesen und hören, was er gesagt hat.«
»Wenn das stimmt, dann zerre ich ihn vor den Kadi«, schnaubte Müller zornig. »Obwohl, ich kann es kaum glauben, denn Gebhardt zählt eigentlich zu meinen besten Leuten.«
»Nun, wenn er zu deinen besten Leuten zählt, warum ist er dann immer noch ›nur‹ Oberkommissar, und das jetzt schon seit acht Jahren? Wir haben das natürlich nachgeprüft.«
Müller schaute zu Boden, in ihm arbeitete es. »Er ist nicht konstant genug. Bisweilen brillant, dann wieder etwas nachlässig. Das ist der Grund, weshalb ich ihn noch nicht für eine Beförderung vorgeschlagen habe. Das Problem ist nur, Gebhardt ist heute nicht zum Dienst erschienen, er hat sich krank gemeldet. Das heißt, seine Frau hat vorhin angerufen. Ein Arzt war wohl auch schon bei ihm.«
Berger schickte einen eindeutigen Blick zu Hellmer, der sofort zusammenzuckte. Er beugte sich zu Durant, flüsterte ihr etwas ins Ohr, sie nickte kaum merklich.
»Was soll er denn überhaupt ausgefressen haben?«, fragte Müller. »Ich meine, außer dass er die Hand aufgehalten hat.«
»Erpressung, Zuhälterei, Vertuschung von Straftaten und so weiter. Wie bereits erwähnt, wir haben seine Aussage schriftlich und mündlich.«
»Wen hat er erpresst, und welche Straftaten hat er vertuscht?«, wollte Müller wissen, nahm sich ungefragt eine weitere Zigarette aus Bergers Schachtel und zündete sie sich an.
»Hauptsächlich Prostituierte der gehobenen Klasse. Und vertuscht beziehungsweise gedeckt hat er Drogen-, Waffen- und Menschenhandel. Er hat sogar die illegalen Bordelle aufgeführt.«
»Aber er hat das doch bestimmt nicht freiwillig zugegeben, oder?!«
»Werner, welcher Polizist würde schon freiwillig zugeben, dass er neben seinem Job krumme Geschäfte macht?« Berger sah Müller direkt an, der sich aber nicht hinter die Stirn blicken ließ.
»Unter Druck sagt so manch einer etwas, das weißt du genau. Ich werde mit ihm selbst sprechen, das ist mein
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