Das Syndikat der Spinne
gutes Recht als sein Vorgesetzter. Noch was?«
»Ja. Ein gewisser Dr. Andrejew hat sich kürzlich an eure Abteilung gewandt, weil er Hilfe suchte. Er hat ausgesagt, dass er zunächst mit einem Hauptkommissar Müller gesprochen habe, der ihn dann an Gebhardt verwiesen habe. Kannst du dich an ein solches Gespräch erinnern?«
»Andrejew, Andrejew … Mag sein, aber ich kann mir nicht alle Namen behalten. Und wenn Gebhardt die Sache in die Hand genommen hat …«
»Das hat er. Er hat letzten Freitag Andrejew in dessen Praxis aufgesucht. Aber er konnte oder wollte ihm nicht helfen. Wir werden jedenfalls im Moment noch nicht gegen Gebhardt vorgehen, da wir ihn gebeten haben, mit uns zusammenzuarbeiten.«
»Gebeten?« Müller lachte laut auf und schüttelte den Kopf. »Was habt ihr mit ihm gemacht? Ihn zusammengeschlagen und ihm dann gesagt: Wenn du nicht mit uns kooperierst, bist du geliefert? War’s so?«
»Herr Hellmer, Sie haben das Wort«, meinte Berger.
»Es hat sich in der Tat ungefähr so abgespielt«, erklärte Hellmer kühl. »Er hat sein Amt missbraucht, und zwar auf eine ziemlich miese Weise. Und dafür wird er bezahlen, Herr Müller.«
»Woher nehmen Sie das Recht …«
»Woher wir das Recht nehmen, fragen Sie?! Wir vertreten doch das Recht! Wir alle hier im Raum haben irgendwann einmal geschworen, uns in den Dienst der Gerechtigkeit zu stellen. Mir ist völlig klar, dass da draußen etliche Polizisten rumlaufen, die für eine kleine Gefälligkeit ihr kärgliches Gehalt aufbessern. Aber Gebhardt wusste, dass in einigen illegalen Bordellen Kinder zur Prostitution gezwungen werden, und hat das gedeckt. Und das ist etwas anderes, als wenn einer bei einem notorischen Falschparker ein Auge zudrückt und dafür einen Hunderter zugesteckt bekommt. Im Prinzip ist jeder von uns auf die eine oder andere Weise korrupt. Wir gehenzu einem Italiener oder Chinesen essen und bezahlen nicht dafür, weil der Wirt es so will. Eigentlich dürften wir das nicht, aber gleichzeitig denken wir, scheiß drauf, und freuen uns, zu einem kostenlosen Mittagessen gekommen zu sein. Aber weder ich noch ein anderer in unserer Abteilung würde kriminelle Aktivitäten decken oder gar unterstützen. Und genau das hat Gebhardt getan. Dafür muss er zur Rechenschaft gezogen werden. Doch vorher wollen wir an die Hintermänner rankommen. Und dabei wird uns Gebhardt helfen, ob Ihnen das passt oder nicht. Und da unsere Abteilungen seit heute offiziell zusammenarbeiten, bitte ich Sie, nicht mit Gebhardt darüber zu sprechen. Sie wissen von nichts und sollten sich Gebhardt gegenüber auch nichts anmerken lassen.«
Müller überlegte, stand auf und holte sich einen Kaffee. Allmählich beruhigte er sich wieder und sagte: »In Ordnung, Sie haben mich überzeugt. Und jetzt?«
»Wir haben eine Liste mit illegal geführten Bordellen«, sagte Hellmer. »Wir werden noch heute zuschlagen und diese Häuser schließen. Dazu brauchen wir aber auch Ihre Hilfe.«
»Die sichere ich Ihnen zu. Um wie viele handelt es sich?«
»Elf. Vier in Frankfurt, eins in Hofheim, zwei in Bad Vilbel, zwei in Offenbach, eins in Heusenstamm und eins in Mörfelden. Wir müssen in allen Betrieben zur gleichen Zeit zuschlagen, weshalb wir mindestens vier Dutzend Männer vom SEK brauchen, dazu jeweils sechs bis acht Leute aus unseren Abteilungen.«
»Also gut, ziehen wir’s durch. Heute Abend, kurz nach Einbruch der Dunkelheit, zur so genannten – Stoßzeit?«, meinte Müller grinsend. »Sagen wir um elf?«
»Einverstanden. Wollen Sie die Leitung übernehmen?«, fragte Hellmer.
»Ja. Ich werde, Ihr Einverständnis vorausgesetzt, auch das SEK zusammenstellen. Ich brauche allerdings die Liste mit den Adressen.«
»Warten Sie«, sagte Hellmer, »ich mach schnell eine Kopie. Frau Durant und mich benötigen Sie aber heute Abend nicht, oder?«
Müller schüttelte den Kopf. Hellmer nahm den Zettel, ging zum Kopierer und kehrte nach zwei Minuten zurück. Er reichte die Kopie Müller, der einen Blick darauf warf, nickte und sie in die Hemdtasche steckte.
»War’s das?«, fragte er.
»Komm, setz dich noch mal kurz«, sagte Berger. »Wir unterhalten uns noch einen Moment allein. Die beiden müssen dringend weg. Und ich will nicht, dass unsere Zusammenarbeit leidet, weil meine Leute einen deiner Mitarbeiter haben hochgehen lassen. Sei froh, dass wir ihn enttarnt haben.«
»Schon gut«, entgegnete Müller und setzte sich erneut. »Es ist nur ein Scheißgefühl zu wissen, dass
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