Das Syndikat der Spinne
konnte, der geduldig zuhörte, wenn es ihr dreckig ging, und Ratschläge nur dann erteilte, wenn er es für angebracht hielt. Sie telefonierten fast eine Stunde, er hörte zu und spendete Trost. Und er sagte, dass sie, sollte es ihr richtig schlecht gehen, jederzeit zu ihm kommen könne. Nach dem Gespräch fühlte sie sich erleichtert und innerlich wieder einigermaßen ruhig. Siestand auf, zog sich Gummihandschuhe über und spülte das Geschirr. Als sie gerade mit dem Abtrocknen beschäftigt war, kam Kuhn zur Tür herein. Er hatte eine große Tüte bei sich, trat auf Julia Durant zu, blieb ein paar Zentimeter vor ihr stehen, sah ihr in die Augen und nahm sie in den Arm.
»Ich möchte mich wegen vorhin noch mal in aller Form entschuldigen«, sagte er und küsste sie auf den Hals. »So was wird nie wieder vorkommen. Ich habe uns auch was ganz Feines mitgebracht.«
»Ich nehm dich beim Wort, Dominik. Wenn nicht Frank dabei gewesen wäre, sondern jemand anders, du hättest mich ganz schön in die Bredouille bringen können. Was hast du denn da Schönes in der Tüte?«, fragte sie neugierig.
»Augen zu«, sagte Kuhn. Sie schloss die Augen, hielt aber noch immer das Geschirrtuch und den Teller in der Hand. Kuhn stellte alles auf den Tisch. »Jetzt kannst du gucken. Eine Flasche Portwein allererster Güte, eine Flasche Dom Perignon, Original Parmaschinken, eine Dose Kaviar, ein ganz besonderes Brot aus einer Ökobäckerei, etwas Lachs und …« Er machte eine Pause und grinste sie vielsagend an, und es war genau die Art Grinsen, die ihn so liebenswert machte.
»Und was?«, fragte sie und konnte ihre Neugier kaum noch zügeln.
»Ein kleines Präsent als Zeichen der Entschuldigung.« Er hielt ihr einen länglichen Umschlag hin. Sie nahm ihn und öffnete ihn.
»Nein, Bon Jovi! Wie bist du denn jetzt noch an die Karten gekommen? Das Konzert ist doch längst ausverkauft.«
»Auch wenn heute Feiertag ist, mit Beziehungen kommt man immer weiter. Was glaubst du denn, woher ich die Fressalien habe? Bestimmt nicht aus dem Supermarkt. Für die Frau, die ich liebe, lasse ich alle meine Connections spielen.«
»Danke, danke, danke! Du bist ein Schatz. Dann steht einem gemütlichen Abend ja nichts mehr im Weg.«
Kuhn deckte den Tisch, zündete eine Kerze an, die Fenster waren geöffnet, die kühlere Luft vertrieb allmählich die stickige der vergangenenTage. Sie saßen den ganzen Abend vor dem Fernseher und sprachen nicht über den vergangenen Tag. Irgendwann fielen ihr die Augen zu, und sie schlief auf der Couch in seinem Arm ein. Mitten in der Nacht wachte sie schweißüberströmt auf und griff sich an die Brust, weil irgendetwas wie ein Tonnengewicht darauf zu liegen schien. Ein böser Traum, sagte sie sich, und gleich tauchten wieder die schrecklichen Bilder vom Nachmittag auf.
Donnerstag, 18.00 Uhr
Daniel Laskin hatte den ganzen Tag mit Natascha verbracht. Sie waren bei einem Bestattungsunternehmer gewesen, der sie trotz des Feiertags empfing, hatten einen weißen Sarg ausgesucht und auch eine Gärtnerei gefunden, bei der sie zwei Kränze in Auftrag gegeben hatten, und waren noch fast zwei Stunden durch den Grüneburgpark gelaufen, hatten sich auf eine Bank gesetzt und nur wenig gesprochen. Sie hatten sich über die Beerdigung unterhalten, die Montag um halb zwölf stattfinden sollte. Am Nachmittag hatte er im Präsidium angerufen, aber Julia Durant war nicht an ihrem Platz gewesen. Er hatte eine Nachricht hinterlassen, dass sie ihn zurückrufen könne. Als sie wieder in der Wohnung waren, sagte Laskin: »Ich muss noch mal weg. Ich denke, ich bin so gegen neun, halb zehn wieder hier.«
»Wo gehst du hin?«, fragte Natascha.
»Nur in meine Wohnung etwas holen.«
»Wirklich?«
»Natascha, du kannst mir vertrauen. Ich lüge dich nicht an, ich würde das nie tun. Du weißt, was ich für dich empfinde.«
»Nein, Daniel, das weiß ich nicht. Zumindest nicht genau.«
»Dann finde es heraus.«
»Ich glaube, dass habe ich bereits. Aber Daniel, so einfach geht das nicht. Du warst über fünf Jahre mit Irina zusammen …«
Er legte einen Finger auf ihre Lippen. »Pssst. Ich habe dir gesternAbend schon gesagt, Irina ist tot. Doch wir leben. Und ich möchte, dass das noch lange so bleibt. Wenn Irina beerdigt ist, können wir uns über alles unterhalten. Bis gleich.«
»Daniel, warte. Sag mir, was du für mich empfindest.«
»Liebe, nichts als reine Liebe«, antwortete er.
»Aber Irina. Du und sie, ihr …«
»Nein,
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