Das Syndikat der Spinne
Hoffnung aufgegeben und geglaubt, heute sei nicht sein Tag, aber jetzt hatte er es schwarz auf weiß. Morgen würde er sich eine Strategie zurechtlegen.
Er löschte das Licht und ging zu seinem Wagen. Vielleicht würde er mit Natascha noch heute Abend reden. Aber dies würde zugleich bedeuten, dass er sie einweihen musste. Es war ein Risiko, doch wenn es überhaupt jemanden gab, von dem er glaubte, ihm seine Vergangenheit bedingungslos anvertrauen zu können, dann Natascha.
Es war fast zweiundzwanzig Uhr, als er bei ihr ankam. Sie lag im Bett und schaute ihn aus ihren rehbraunen Augen an. Sie trug lediglich ein hauchdünnes, durchsichtiges Nachthemd. Er legte sich zu ihr, ohne sich auszuziehen, und sagte mit tonloser Stimme, wobei er ihr sanft über das Gesicht streichelte: »Natascha, ich muss mit dir reden.«
Donnerstag, 23.00 Uhr
Die Wagen der Einsatzkommandos hatten vor den jeweiligen Häusern Stellung bezogen. Berger und Oberstaatsanwalt Küchler nahmen an der Razzia persönlich teil. Um Punkt dreiundzwanzig Uhr gab Hauptkommissar Müller vom K60 den Einsatzbefehl. Die in Schwarz gekleideten und mit Helmen und schusssicheren Westen geschützten Männer stürmten aus den Autos auf die Häuser zu, die Gewehre im Anschlag. Sie traten blitzschnelldie Türen ein und durchkämmten jedes einzelne Zimmer. Überall brannte Licht, in Schubladen, Schränken und Papierkörben fand man gebrauchte Kondome, als wollte man die Polizei verhöhnen. Nach nicht einmal fünf Minuten kam die Meldung, dass sie niemanden angetroffen hätten und die Zimmer leer seien. Keine Zuhälter, keine Prostituierten, keine Minderjährigen, keine Freier. Offensichtlich, so Müller, wurden die Häuser und Wohnungen Hals über Kopf verlassen. Irgendwo schien es eine undichte Stelle im Präsidium zu geben, wobei Müller gegenüber Berger besonders den Namen Gebhardt erwähnte.
Um 23.15 Uhr war der Einsatz beendet. Müller ordnete die sofortige Rückkehr ins Präsidium an. Küchler sagte in einer anschließenden kurzen Besprechung, er werde alles daransetzen, dass deroder diejenigen ausfindig gemacht würden, die mit kriminellen Subjekten, wie er es ausdrückte, unter einer Decke steckten. Berger erwiderte daraufhin, dass ein Beamter seit dem Abend im Untersuchungsgefängnis untergebracht sei. Küchler versprach, sich umgehend um diesen Mann zu kümmern. Noch vom Präsidium aus telefonierte er mit Generalstaatsanwalt Blumenthal, um zu besprechen, wie die weiteren Maßnahmen auszusehen hatten und inwieweit die Presse von den Vorfällen der vergangenen Tage in Kenntnis gesetzt werden sollte. Blumenthal sagte nur, er würde darüber schlafen und morgen früh Küchler und die Polizei über das weitere Procedere in Kenntnis setzen. Gerade als Küchler gehen wollte, kam die Meldung, dass Gebhardt sein Geständnis zurückgezogen hatte, da dies angeblich unter Todesandrohung erzwungen wurde. Küchler stellte daraufhin Berger zur Rede und kündigte an, dass dies mit ziemlicher Sicherheit Konsequenzen habe, sollte Gebhardt die Wahrheit sagen. Berger entgegnete ganz ruhig, er lege ihm morgen Beweise vor, die nicht daran zweifeln ließen, dass Gebhardt mit dem organisierten Verbrechen kooperiere. Nachdem Küchler gegangen war, blieben Berger und Müller noch einige Minuten im Präsidium und unterhielten sich bei einer Tasse Kaffee über den Fehlschlag.
Donnerstag, 23.55 Uhr
Julia Durant wurde vom Telefon geweckt. Es war Berger. Seine Stimme klang gelassen, aber längst nicht so gelassen wie sonst, als er sagte: »Entschuldigen Sie, wenn ich so spät noch störe, aber nur eine kurze Information. Erstens, die Bordelle waren alle leer. Kein Mensch war dort. Es sieht ganz so aus, als wären die Wohnungen innerhalb weniger Stunden geräumt worden. Aber damit habe ich ehrlich gesagt fast gerechnet. Küchler hat gleich danach mit Blumenthal telefoniert, und wir werden morgen erfahren, wie es nun weitergehen soll. Küchler will sich außerdem persönlich um Gebhardt kümmern. So, und jetzt etwas sehr Unerfreuliches: Gebhardt behauptet, sein Geständnis sei unter Gewaltanwendung erzwungen worden. Ein Arzt hat ihn untersucht und bestätigt, dass er Hämatome an Gebhardts Körper festgestellt hat. Außerdem behauptet Gebhardt, Andrejew nie persönlich kennen gelernt zu haben. Er behauptet sogar, dass er von namentlich nicht genannten Kollegen reingelegt wurde. Es könnte also sein, dass da noch eine Riesensache auf uns zukommt. Küchler ist jedenfalls ziemlich
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