Das Syndikat der Spinne
sie Gebhardt gegeben hat, genauestens Buch geführt. Eine Kopie davon liegt in meinem Büro.«
Sie holte tief Luft, bevor sie fortfuhr: »Fakt Nummer zwei: Wir haben die Aussage von Dr. Andrejew, der, wenige Minuten bevor er und seine ganze Familie brutal ermordet wurden, einem mir bekannten Journalisten, der an einer Serie über das organisierte Verbrechen schreibt, erzählt hat, dass er sowohl telefonischen als auch persönlichen Kontakt zu einem Herrn Gebhardt von der Abteilung für Organisiertes Verbrechen hatte. Gebhardt habe ihm aber nicht helfen können, zum einen, weil die Abteilung momentan mit anderen Fällen überlastet sei, zum andern, weil angeblich Beweise fehlten. Gebhardt hat Andrejew am vergangenen Freitag in dessen Praxis aufgesucht und ihm dies mitgeteilt. Andrejew hat daraufhin Gebhardt zu verstehen gegeben, dass er, wenn die Polizei ihn nicht beschützen könne, am nächsten Donnerstag, also gestern, diese Gegendmit unbekanntem Ziel verlasse. Wie gesagt, kurz darauf wurde die gesamte Familie Andrejew ausgelöscht. Die einzigen beiden Personen, die von der geplanten Abreise wussten, waren Gebhardt und Herr Schulze, der gestern einen schweren Autounfall hatte, nachdem er mehrere Drohungen erhielt, in denen er aufgefordert wurde, die Serie zu stoppen. Ob er überlebt, können die Ärzte noch nicht sagen.
Fakt Nummer drei: Nachdem unsere Abteilung durch Frau Olpitz von Gebhardts Machenschaften in Kenntnis gesetzt wurde, haben Herr Hellmer und Herr Kullmer Gebhardt verhört. Dabei wurde Gebhardt körperlich nicht misshandelt, wie er angibt, er wurde lediglich verbal in einem angemessenen Rahmen attackiert. Wir haben ein vollständiges Geständnis von ihm sowohl auf Band als auch schriftlich. Es steht Ihnen frei, einen Schriftsachverständigen oder Grafologen zu Rate zu ziehen, um überprüfen zu lassen, ob Gebhardt das schriftliche Geständnis unter starkem emotionalen und psychischen Druck geschrieben hat. Er hat in diesem Geständnis, ohne dass Herr Hellmer oder Herr Kullmer irgendeinen Namen erwähnte, unter anderem Frau Natascha Olpitz genannt. Sie können auch hier sagen, dass es sich dabei um einen Zufall handelt, aber, meine Herren, das wäre naives Denken.
Und Fakt Nummer vier: Gebhardt hat in seinem Geständnis insgesamt elf Häuser und Wohnungen genannt, in denen illegale Bordelle betrieben wurden. Zum großen Teil mussten dort auch Minderjährige arbeiten. Was das heißt, brauche ich Ihnen ja wohl nicht näher zu erklären. Diese elf Häuser und Wohnungen sollten gestern Abend gestürmt werden, doch es war niemand mehr da. Die Frage ist, wer hat sie gewarnt? Dazu kommt, dass acht dieser elf Häuser und Wohnungen Dr. Andrejew gehörten, allerdings nur noch auf dem Papier, da die Tschetschenenmafia sie ihm quasi entrissen hat. Als Andrejew den Zahlungen an die Tschetschenen nicht mehr nachkommen wollte, hat man seine älteste Tochter entführt und sie mit einem abgeschnittenen Finger wieder zurückgeschickt. Dr. Andrejew hat Herrn Schulze am Mittwochabend sämtliche Papiere dieHäuser betreffend anvertraut, ebenso die Schlüssel, aber nicht nur das, er hat sie ihm auch überschrieben, damit Herr Schulze diese Häuser für ihn verkauft. Andrejew hat in Schulze seine letzte und einzige Chance gesehen, wenigstens einen Teil seines Geldes wiederzusehen, und wollte sich mit ihm in etwa einem Monat in Verbindung setzen.
Fakt Nummer fünf: Dies hat jetzt nicht direkt etwas mit Gebhardt zu tun. Dr. Andrejew hatte eine sehr gut gehende Praxis mit vorwiegend prominenten und wohlhabenden Patienten. Darunter befanden sich auch Andreas Wiesner, Irina Puschkin, die bereits erwähnte Natascha Olpitz und möglicherweise auch Helena Maric. Ergo muss es einen Zusammenhang zwischen den Morden geben. Zumindest haben sich alle Opfer gekannt. Andreas Wiesner und Helena Maric haben jahrelang zusammengearbeitet, bis Frau Maric sich im vergangenen Jahr selbstständig gemacht hat.
Fazit: Die einzige Person, die bereits vorgestern wusste, dass eine groß angelegte Razzia durchgeführt werden würde, war Gebhardt. Die einzige Person, die schon am vergangenen Freitag wusste, dass Andrejew das Land verlassen würde, war Gebhardt. Es ist alles dokumentiert und damit vor Gericht verwertbar. Alles Weitere, wie zum Beispiel mit Gebhardt verfahren wird, liegt nun in Ihren Händen. Das war’s von meiner Seite. Ach ja, ob und inwieweit Gebhardt Wiesner und Maric kannte, entzieht sich bisher leider unserer Kenntnis.« Sie
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