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Das Syndikat

Das Syndikat

Titel: Das Syndikat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fran Ray
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noch Halt am Türrahmen. Cortot ... Sie hatte das Gefühl, als würde er sie mit sich ins Dunkel reißen, seine Hände saugten sich an ihr fest, ließen sie nicht los, drohten sie zu erwürgen, sie sollte auch sterben ...
    »Nein!«, schrie sie und schüttelte sich, schüttelte seine Fangarme ab. »Sie war für Linh!« Die Einheit Impfserum in ihrer Tasche. Sie hatte sie Cortot nicht geben können. Sie hätte sie Linh gegeben, sofort, wenn sie sie auf dem Parkplatz zurückbekommen hätte.
    Wo bist du, Linh? Bitte, du darfst nicht sterben ... Linh, Linh, Linh. Du bist alles ... was ich habe.
    Ihre Karriere kam ihr auf einmal so sinnlos vor.

84
    Brüssel
    Mein Gott, dachte Karen, wann geben sie denn endlich durch, dass es ein Fehlalarm war? »Dr. Cortot hat die Behälter geleert«, das hatte Lan Peyroux doch gerade am Telefon gesagt, »was immer behauptet wird, ist falsch! Verstehen Sie! Nur Cortot wurde infiziert – und ... er ist gerade gestorben.«
    Die Fahrt durch die Stadt hatte etwas Unwirkliches, Gespenstisches – und Bedrohliches. Wie stellt man sich eine Stadt ohne Menschen vor?, ging ihr durch den Kopf. Von Fußgängern, Radfahrern keine Spur, nur vereinzelt fuhren Autos oder rasten Polizeiwagen oder auch Armeefahrzeuge vorbei. Mehrere Kreuzungen waren blockiert von Polizeiwagen oder gepanzerten Fahrzeugen, manchmal tauchten sie wie aus dem Nichts auf, um sie zu sperren, Polizisten und Soldaten mit Gasmasken sprangen heraus, um Autos anzuhalten und Menschen herauszuholen. Karen hatte es schon dreimal geschafft, im letzten Moment in eine Nebenstraße abzubiegen. Fast alle Läden, Bars, Cafés und sogar Tankstellen waren geschlossen. Jeder, der frei herumlief, galt als potenzieller Krankheitsüberträger. Da vorn, schon wieder eine Streife. Sie riss das Steuer herum, raste über die Kante des Bürgersteigs und verschwand in der kleinen Straße. Die Menschen hatten sich zu Hause verbarrikadiert, hinter geschlossenen Fenstern und Türen verschanzt, oder sie saßen in einem der vollbesetzten Busse, die Karen schon mehrmals aufgefallen waren. Vorne hinter der Fensterscheibe stand auf improvisierten Schildern: Impf-Center.
    An einer Ecke sah sie, wie Soldaten mit Gasmaske und Maschinenpistolen drei Menschen aufgriffen und sie in einen solchen Bus drängten. Rasch gab sie Gas, um nicht gesehen zu werden. Wer nicht freiwillig kam, wurde zwangsgeimpft.
    Gedankenverloren griff sie mit der freien Hand zu Gibbs hinüber, der wachsam nach vorn sah, und fuhr mit den Fingerspitzen durch sein Fell. Es fühlte sich dicht an und warm. Er warf ihr einen kurzen Blick zu und sah gleich wieder auf die Straße, als wollte er sagen, stör mich nicht, ich muss doch auf uns beide aufpassen.
    Oder hatte Peyroux sich geirrt? Konnte es möglich sein, dass die Medien, dass die Politiker sich so sehr täuschen – und manipulieren ließen? Und dann hatte sich auch noch die amerikanische First Lady vor laufenden Kameras impfen lassen ...
    Nach mehreren Umwegen gelangte sie schließlich in die Rue de la Loi, eine Straße mit Fassaden aus spiegelndem Glas, glänzendem Metall und gold- und silberblitzenden Schildern von Rechtsanwälten, Praxen und Agenturen. An normalen Tagen herrschte hier sicher viel Verkehr, jetzt wirkte sie wie ausgestorben.
    Sie parkte den Lexus in der nächstbesten Hofeinfahrt. Vielleicht zweihundert Meter weiter die Straße hoch standen zwei Armeefahrzeuge quer. Mehrere Soldaten patrouillierten. Offenbar hatten sie sie noch nicht gesehen.
    Karen nahm die Sig Sauer aus dem Handschuhfach. Sie dachte an Nyström, und sie ertappte sich dabei, dass sie wünschte, er wäre jetzt hier. Auch wenn sie immer noch wütend war wegen dem, was er angeblich über ihren Vater herausgefunden hatte. Wer sagte denn, dass seine Informationen stimmten?
    Aber ... im Hotel Bristol , da hatten sie ein ganz gutes Team abgegeben, sie und Nyström, oder nicht?
    Doch jetzt war sie allein. Und sie hatte Angst. Angst, dass sie von den Soldaten gesehen und abgeführt wurde, Angst davor, die kleine Linh bei Roth zu finden, und dieselbe Angst davor, sie nicht zu finden. Was sollte sie dann Linhs Mutter sagen? Und wenn das Mädchen schon tot war? In ihrer Tasche war noch eine halbe Schachtel Ibuprofen. Eine Tablette – und die Angst würde sich zurückziehen, wie ein Tier, das man verjagte. Aber sie wusste auch, dass sie dann nicht mehr so schnell denken und reagieren konnte, und auch nicht so schnell laufen. Und wenn sie drei Tabletten nehmen und im

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