Das Syndikat
Entführung«, sagte ein Menschenrechtler.
Und immer wieder Querverweise auf Jane Burnett. Geboren 1951 in Boston, Vater Philosophieprofessor, Mutter Übersetzerin, Jane studierte in Yale, arbeitete dann für die New York Times, Übersiedlung nach London, später Paris, 1999 nach Berlin, wo sie bis zur ihrem tragischen Tod lebte. Arbeitete für BBC News und zahlreiche renommierte Zeitschriften. Vor allem aus dem Fernsehen kannte Scarafia sie, da war sie die unbestechliche, mutige Journalistin. Sie erinnerte sich an ihr dunkles Haar, wie es im Wind über den Schlachtfeldern wehte. Diese Frau gehörte zu den Persönlichkeiten, mit denen sie gern einmal einen Abend lang geplaudert hätte.
Scarafia blieb an einem Textzitat aus Jane Burnetts bekanntestem Buch hängen: Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit .
Heutzutage wähnen wir uns gut aufgehoben in der Demokratie. Und wenn Milliardäre hin und wieder etwas Gutes tun, sind wir zufrieden und denken nicht weiter. Aber: Für die Demokratie gibt es wohl kaum eine größere Gefahr als Megareichtum. Mit Geld wird Macht geschaffen und erhalten. Je mehr Geld – desto mehr Macht.
Und das gilt nicht nur in den USA, wo die Präsidenten durch Geld in ihr Amt gehoben werden. Nein, auch Europa ist keine Ausnahme.
Die hundert reichsten Europäer konnten ihr Vermögen in den letzten dreißig Jahren verzehnfachen. Nicht etwa durch höhere Produktivität ihrer Unternehmen, nein!, sondern allein durch Geldgeschäfte.
Es gilt also: Wer viel Geld besitzt, wird noch mehr Geld besitzen.
An einer anderen Stelle las Scarafia:
Der Megareichtum lässt eine gesellschaftliche Schicht entstehen, die über die notwendigen Mittel verfügt, um die Politik zu bestimmen, die Rechtsprechung zu beeinflussen und sich Zugang zu verschaffen zu allen möglichen Informationen, was ihren Reichtum noch weiter vermehrt – und damit ihre Macht zementiert.
Scarafia hielt einen Moment inne. Sie konnte Jane Burnetts Argumentation nicht widersprechen, im Gegenteil. Die Reichen kauften das Recht, kauften Zeugen, engagierten die findigsten, skrupellosesten Anwälte. Wie oft hatte sie schon kapitulieren müssen? Jane Burnetts Gegner, las sie weiter, bescheinigten ihr amerikanische Ostküstenarroganz, dennoch hatte sie, die längst Die Burnett genannt wurde, viele Bewunderer, sie räumte so ziemlich alle Journalistenpreise ab, die Liste war lang. In einem Artikel wurde sie als eine Mischung aus Oriana Fallaci und Susan Sontag beschrieben, zwei überaus streitbaren und selbstbewussten Journalistinnen.
Dass es die Tochter nicht leicht hatte, gegen eine solche Mutter anzukommen, war klar. Deswegen wagte Karen Burnett sich wohl auch erst gar nicht an die großen politischen Themen, sie trieb sich lieber im unbeachteten Alltag der Benachteiligten herum. Scarafia war sich sicher, dass Mutter und Tochter sich nicht sonderlich gut verstanden hatten.
Der Kaffee war genau so, wie sie ihn jetzt brauchte.
Es war mal wieder Zeit, ihre Karriere voranzutreiben. Und sie hatte das unbestimmte Gefühl, dass dieser Fall ihr dabei helfen könnte.
21
Brüssel
»Diese Scarafia ist einfach nur arrogant.« Karen rutschte von der Tischkante. »Keine Ahnung, ob sie irgendwas unternimmt. Und wenn ja, wann? Ich will mich nicht auf sie verlassen. Wir müssen unbedingt mit den Überlebenden Kontakt aufnehmen. Es sind nur noch zwei.« Ja, es tat ihr gut, etwas zu tun. In den vergangenen Stunden hatte sie nur zwei Mal an ihre Tabletten gedacht. »Die Soldaten gehörten also zu Globe «, fasste sie zusammen und ging dabei vor den Monitoren auf und ab. » Globe , ein privates Sicherheitsunternehmen, Arbeitgeber für arbeitslos gewordene Soldaten aus den USA, aus Russland, Großbritannien, Südafrika. Nachdem die verkleinerten Heere ihre Leute ausgemustert haben.«
Sie warf einen Blick zu Nyström, der, die Arme hinter dem Kopf verschränkt, ihr zuhörte, und fuhr fort: »Sie sind gut ausgebildet, haben Erfahrung und suchen einen neuen Job. Gleichzeitig sind die Waffensysteme komplizierter geworden, man braucht Spezialisten. Die privaten Sicherheitsfirmen übernehmen Beratung, Training, Verwaltung von Kriegsgefangenenlagern, auch die technische, logistische und operative Unterstützung von Kampfhandlungen. Und die hat Oberst Grévy bekommen.«
Nyström öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch sie ließ ihm keine Zeit. Erst musste sie ihm die Grundlagen erklären. »Und wenn Mitarbeiter dieser Unternehmen bei einem Einsatz ums Leben
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