Das System
Er hielt inne. Vielleicht
war es doch nicht die letzte Chance gewesen. Wenn die Computerexperten des BKA sich gemeinsam mit Lisa an die Aufgabe setzten,
konnten sie sicher in kurzer Zeit erneut einen Virus schreiben. Sie hatten vielleicht etwas Zeit verloren, aber wenn es ihm
gelang, die Polizisten zu überzeugen …
»Sie haben doch noch die CD-ROM, die in dem Laufwerk des Laptops war, oder?«
Schütze machte ein betretenes Gesicht. »Na ja, sie ist …«
»Sie ist was?«
»Es gab eine Fehlfunktion in meinem Brenner, und …«
»Sie haben die CD in ein Brennerlaufwerk gelegt?« Mark schüttelte langsam den Kopf. Er stützte das Gesicht in die Hände. »Das
glaube ich einfach nicht!«
»Warum denn nicht?«, sagte Schütze in beleidigtem Tonfall. »Ich meine, ein CD-Brenner geht ja normalerweise nicht einfach
von allein los, und es war eine Write-Once-Disk, und …«
»Was ist passiert?«, fragte der BKA-Offizier ruhig.
Schütze starrte auf seinen Notizblock. »Mein Brenner hatte eine Fehlfunktion. Er hat versucht, die CD im Laufwerk zu beschreiben.
Dabei wurde offenbar ein Teil der Daten zerstört.«
Der Offizier sah Schütze lange an. Ein unangenehmes Schweigen entstand. »Ich frage Sie das jetzt nur einmal, Herr Schütze«,
sagte er. »Könnte es sein, dass Herr Helius recht hat? Könnte es sein, dass jemand – oder etwas – in unser Netzwerk eingedrungen
ist und die Daten absichtlich zerstört hat?«
Schütze erwiderte nichts.
In den grauen Augen des Offiziers funkelte kalte Wut. »Sie |327| können gehen, Herr Helius. Wir werden der Sache auf den Grund gehen, das verspreche ich Ihnen. Was immer es ist, das diese
Daten gelöscht hat, wir werden es finden und vernichten!«
Mark schüttelte langsam den Kopf. »Dafür ist es zu spät. Wir haben keine Chance mehr.«
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82.
Hamburg-Alsterdorf,
Samstag 12:40 Uhr
»Sie haben es vermasselt!«, sagte Mark. »Dieser Schütze, der Trottel, hat …«
Lisa hatte vor dem Verhörzimmer auf ihn gewartet. »Nicht hier«, sagte sie und deutete mit den Augen auf eine Sicherheitskamera,
die in der Ecke des Gangs angebracht war.
Sie verließen das Polizeihauptquartier und schlenderten ein Stück weit durch den Büropark der City Nord, der jetzt, am Wochenende,
menschenleer war.
»Diese Vollidioten haben Pandora die Chance gegeben, den Source Code zu vernichten, und sie hat sie genutzt«, sagte Mark.
»Jetzt können wir nur noch abwarten und zusehen, wie die Welt vor die Hunde geht. Es ist vorbei.«
»Noch nicht ganz.« Lisa hielt ein silbernes Rechteck von der Größe und Form eines Einwegfeuerzeugs in die Luft: einen USB-Stick.
»Du hast … Aber sie haben uns doch gefilzt, als sie uns von Bord des Schiffes geholt haben … Wo hast du denn …«
Lisa grinste nur.
»Was machen wir jetzt damit?«, fragte Mark.
»Wir haben keine Zeit zu verlieren. Pandora wird vielleicht ahnen, dass wir eine Kopie des Source Code besitzen. Es würde
mich nicht wundern, wenn bald erneut ein Haftbefehl auf uns ausgestellt würde.«
|328| »Dieser Polizeioffizier hat mir geglaubt. Er wird verhindern, dass …«
Lisa schüttelte den Kopf. »Ein einzelner Mann, egal wie bedeutend er sein mag, wird niemals das ganze System stoppen können.«
»Wahrscheinlich hast du recht.« Mark blickte sich um. Nicht weit entfernt war eine Bushaltestelle. »Wohin jetzt?«
»In die Höhle des Löwen«, sagte Lisa. »Wir fahren zu D. I.«
»In die Firma? Warum das denn?«
Lisa seufzte. »Wir haben keine Zeit, den Virus zu testen. Wir müssen ihn direkt ins Netz spielen. Und zwar dort, wo wir sicher
sein können, dass wir Pandora an ihrer empfindlichsten Stelle treffen.«
»Aber Unger hat doch gesagt, der Kernel-Server wäre zerstört …«
»Der Kernel-Server vielleicht. Aber nicht das ganze System. Ich bin sicher, Martin hat das Netzwerk längst wieder hingekriegt.
Und ich denke, dass Pandoras Zentrum, wenn man überhaupt von so etwas sprechen kann, immer noch auf den Servern von D. I.
liegt. Außerdem ist es von Vorteil, wenn wir den Virus auf mehrere Rechner mit hoher Kapazität spielen können.«
»Aber wenn Pandora deinen Source Code kennt, kann sie dann nicht …«
»Sie kennt ihn nicht«, sagte Lisa. »Es war nicht Pandora, die die Daten auf dem Laptop gelöscht hat. Das war ich.«
Mark sah sie von der Seite an. »Du hast geahnt, dass sie es vermasseln würden.«
Lisa grinste. »Na hör mal, ich kenn doch die Bullen!«
Er nahm sie in den Arm
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