Das System
verausgabt hatte, lagen sie Arm in Arm auf der engen Koje und sahen sich einfach nur an.
Mark hatte das Gefühl, als sei dies der wichtigste Moment seines Lebens. Es mochte sein, dass die Gefahr sie zusammengeführt
hatte, dass der enorme Druck, unter dem sie standen, ihrer beider Lust noch gesteigert hatte. Doch jetzt, wo diese Lust allmählich
abklang und einem Gefühl tiefer Befriedigung wich, wusste er, dass es richtig war. Auf eine Weise richtig, wie er es bisher
noch nie erlebt hatte.
|319| Er küsste den kleinen Totenkopf an ihrem Hals zum Zeichen, dass er sie so wollte, wie sie war, mit ihren Makeln und ihrer
bewegten Vergangenheit.
»Ich liebe dich«, flüsterte er.
Ein Schatten des Zweifels hielt sich hartnäckig in ihren großen Augen, als sei sie nicht ganz sicher, ob sie ihn richtig verstanden
hatte. Sie suchte sein Gesicht nach Spuren von Unaufrichtigkeit ab. Dann lächelte sie endlich und gab ihm zur Antwort einen
langen, zärtlichen Kuss.
Lange lagen sie so da, und Mark versuchte, wach zu bleiben. Er wollte jede Sekunde, in der er Lisas warmen, nackten Körper
in den Armen halten durfte, genießen. Doch irgendwann forderten die Strapazen der letzten Tage ihren Tribut, und er schlief
ein.
Er wurde von Kaffeeduft geweckt. Überrascht schlug er die Augen auf, setzte sich auf und stieß sich den Kopf an einem Holzbrett
über der engen Koje.
Lisa saß an dem kleinen Kartentisch und arbeitete am Laptop. Sie hatte ihre feuchte Kleidung wieder angezogen und drehte sich
zu ihm um.
»Guten Morgen! Hattest du eine angenehme Nacht?«
Er grinste. »Eine verdammt angenehme sogar. Nur leider bin ich irgendwann eingeschlafen.«
»Möchtest du einen Kaffee?«
Er nickte.
»Dann komm und hol ihn dir«, sagte sie und hielt ihm grinsend einen Becher hin. Ihm blieb nichts anders übrig, als splitternackt,
wie er war, durch das Boot zu wanken. Sie machte sich einen Spaß daraus, ihren Blick betont über seinen Körper schweifen zu
lassen.
»Wo hast du den überhaupt her?«, fragte er, als sie ihm den dampfenden Becher endlich gab.
»Ich habe einen kleinen Gaskocher gefunden. Dein Schwiegervater ist wirklich auf alles vorbereitet.«
Das heiße Getränk erinnerte ihn an die Hitze des vergangenen |320| Abends. Er drehte sich um, ehe Lisa seine erneut aufkeimende Erregung bemerken konnte.
Das Gefühl, seine kalte, feuchte Kleidung anzuziehen, vertrieb schnell jeden lustvollen Gedanken. Er blickte an sich herab,
betrachtete seine zerknitterte Jeans und den ruinierten Schurwollpullover und musste plötzlich über seine eigene, traurige
Gestalt und die Ironie der ganzen Situation grinsen. Sein Äußeres war ihm immer wichtig gewesen, vor allem in Gegenwart von
Frauen. Doch wenn seine Kleidung nicht völlig durchnässt worden wäre, hätte er wohl die aufregendste Nacht seines Lebens verpasst.
Er trank den Kaffee so schnell er konnte, um der klammen Kälte von innen entgegenzuwirken. Aus Erfahrung wusste er, dass Kleidung
am besten trocknete, wenn man sie trug.
»Wie weit bist du?«, fragte er.
»Die Batterien des Laptops sind fast leer, aber ich habe eine erste Version des Virus fertig. Jetzt muss ich sie nur noch
testen.«
»Testen?«
Lisa sah ihn verblüfft an. »Irre ich mich, oder warst du mal Chef einer Softwarefirma? Dann solltest du eigentlich wissen,
dass es praktisch unmöglich ist, auf Anhieb fehlerfreien Code zu schreiben. Der Compiler hat zwar keine Fehler gefunden, und
ich habe jetzt ein ausführbares Programm. Aber das heißt nicht, dass nicht ein Fehler in der Logik sein kann, den man erst
findet, wenn man das Programm ausprobiert.«
»Rainer konnte fehlerfreien Code schreiben.«
Sie warf ihm einen finsteren Blick zu. »Ich bin nicht Rainer.«
Er grinste. »Das habe ich schon bemerkt.«
Sie sah sich nach etwas um, womit sie nach ihm werfen konnte. Er verschwand schnell an Deck.
Der Himmel war klar, bis auf ein paar vereinzelte, hohe Wolkenschlieren. Im Osten zeigte sich bereits ein heller Streifen.
Die Sonne würde bald aufgehen. Das Meer lag leer |321| und schwarz um sie herum. In der Ferne konnte er die Positionslichter eines größeren Schiffes erkennen, vermutlich ein Frachter.
Ihm wurde bewusst, dass es ziemlich riskant gewesen war, das Boot führerlos geradeaus fahren zu lassen. Die Nordsee war nicht
unbedingt ein unbefahrenes Gewässer, auch wenn sie auf ihrem Kurs nicht in der Nähe der großen Schifffahrtslinien nach England
und
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