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Das System

Das System

Titel: Das System Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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dem toten Kommandanten.
     Er würde es schaffen, irgendwie. Er hatte Mission Control eine Menge zu erklären. Sie würden Untersuchungskommissionen bilden.
     Am Ende würden sie verstehen, was wirklich geschehen war, und ihn vom Verdacht des Mordes freisprechen. Er könnte wieder in
     Cilias Armen liegen.
    Erst dann würde er sich erlauben zu weinen.

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    90.
    Hamburg-Hafencity,
    Samstag 17:32 Uhr
    Wo blieb der verdammte Krankenwagen? Ungers Arm fühlte sich an, als schlüge ein verrückter Schmied mit einem glühenden |366| Hammer darauf herum. Er konnte seine Finger kaum bewegen. Er fürchtete, dass er nie wieder so würde Gitarre spielen können
     wie früher, aber er hatte kaum Blut verloren und war nicht lebensbedrohlich verletzt. Andresen hatte die Wunde mit ernstem
     Gesicht und großem Geschick versorgt. Unger hatte das Gefühl, dass er bei ihr in guten Händen war. In sehr guten Händen.
    Helius hatte weniger Glück gehabt. Seine Haut wirkte bleich und wächsern wie die einer Leiche. Lisa Hogert saß neben ihm auf
     dem Boden und streichelte seine Wange. Sie hatte Tränen in den Augen. Die zärtliche Geste passte irgendwie gar nicht zu ihrem
     kühlen Äußeren.
    Grimes war mit Kabeln und Paketband an einen Schreibtischstuhl gefesselt und starrte sie stumm an. Unger hatte ihm klargemacht,
     dass er ihm höchstpersönlich ebenfalls einen Brieföffner in den Hals rammen würde, wenn er auch nur ein einziges Wort von
     sich gab. Ohne Zweifel malte er sich gerade aus, wie er eine Armee von Anwälten auf Unger hetzen und ihn nach allen Regeln
     der Kunst fertigmachen würde. Aber Unger hatte keine Angst vor dem Dicken. Seine Aussage und die von Hogert und Andresen würden
     ausreichen, um Grimes für einige Zeit hinter Gitter zu bringen.
    Sie konnten nichts weiter tun, als auf Verstärkung und ärztliche Hilfe zu warten. Die Telefonleitungen waren tot. Aus den
     Panoramafenstern hatte man einen herrlichen Ausblick über die Stadt und den Hafen. Von hier oben sah alles trügerisch ruhig
     und friedlich aus. Nur ein paar Rauchsäulen über verschiedenen Bezirken deuteten an, dass eine ganze Reihe von Dingen gleichzeitig
     schiefgegangen waren.
    »Was ist eigentlich los?«, fragte Unger. »Auf dem Weg hierher haben die Ampeln verrücktgespielt. Das Kabelnetz ist ausgefallen,
     und mein Handy ist tot. Die ganze Stadt scheint durchgedreht zu sein. Haben Sie eine Erklärung dafür?«
    Lisa Hogert blickte zu ihm auf. »Pandora stirbt. Das Chaos da draußen ist ihr Todeskampf.«

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    |367| 91.
    Luftraum über Tokio,
    Sonntag 1:12 Uhr
    »Meine Damen und Herren, wir haben bereits mit dem Anflug auf Tokio begonnen. Bitte schalten Sie Ihre mitgebrachten elektronischen
     Geräte aus, klappen Sie die Tische vor sich hoch und stellen Sie Ihre Sitzlehnen senkrecht.«
    Endlich, dachte Norman, endlich komme ich hier raus. Die zehn Stunden Flug über den Pazifik waren die Hölle gewesen. Er saß
     eingequetscht auf seinem Fensterplatz auf der rechten Seite der 747. Seine Körpermasse quoll über die linke Armstütze und
     bedrängte seine Sitznachbarin, eine junge Asiatin. Sie lehnte ihren Körper auf unnatürliche Weise nach links auf den Gang,
     als ekele sie sich vor der Berührung seines warmen Fleischs. Obwohl er die Lüftungsdüse über sich auf Maximum gestellt hatte,
     konnte er nicht verhindern, dass er schwitzte. Es war ihm entsetzlich peinlich. Auf dem Rückflug würde er ein Upgrade in die
     Business Class kaufen, egal, was es kostete.
    Er würde nur vier Tage in Tokio bleiben, aber es würde einer der Höhepunkte seines Lebens werden. Norman hatte nie Lust verspürt,
     irgendwohin in den Urlaub zu fahren. An den Strand traute er sich nicht, wandern oder in den Bergen herumkraxeln oder gar
     Ski fahren konnte er mit seinem Gewicht nicht. So war er schon lange nicht mehr aus Palo Alto herausgekommen. Und jetzt flog
     er als Ehrengast zur Eternia Powergamer Convention nach Japan! Die Leute dort würden ihn nicht als schwitzenden Fettklops
     wahrnehmen, sondern als den Mann, der den berühmten Tarkus spielte. Den Mann, der die Sache mit dem Ultra-Kobold aufgedeckt
     hatte. Sie würden ihn respektieren. Sie würden nicht auf Äußerlichkeiten achten, sondern seine inneren Werte sehen.
    Der Ultra-Kobold, wie er inzwischen in den Foren genannt wurde, hatte Tarkus am Ende getötet. Aber diese |368| Niederlage war in Wirklichkeit ein Sieg gewesen. Norman war so sauer gewesen, dass er die Eternia-Niederlassung in

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