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Das System

Das System

Titel: Das System Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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davon gesagt. Außerdem konnte er diese Störung des Betriebs jetzt
     überhaupt nicht gebrauchen. Er nahm sich vor, General Carter ein paar deutliche Worte zu sagen. Falls er ihn an den Apparat
     bekam.
    Einigermaßen genervt, aber nicht ernstlich beunruhigt ging er zum Ausgang des Gebäudes. Dies hier war ein Militärkrankenhaus,
     und beim Militär musste man jederzeit mit unsinnigen Aktionen rechnen, die sich irgendein Idiot im Pentagon am grünen Tisch
     ausgedacht hatte.
    Als er aus dem Gebäude trat, blickte er in die ernsten, blassen Gesichter mehrerer Soldaten, die ihre Maschinenpistolen auf
     ihn richteten. »Gehen Sie zurück in das Gebäude!«, rief ihm ein Sergeant zu. Er benutzte eine Flüstertüte, obwohl er nur zwanzig
     Meter entfernt war.
    Cherry ignorierte die Anweisung – immerhin lag der Dienstgrad des Mannes etliche Stufen unter seinem. Er machte ein paar Schritte
     auf ihn zu.
    Die Soldaten versteiften sich. Der Sergeant machte unwillkürlich einen Schritt zurück. Er wirkte sehr nervös. »Bleiben Sie
     stehen, Sir, oder wir müssen das Feuer eröffnen!«, brüllte er.
    Cherry begriff, dass sie es ernst meinten. Das war keine Übung. Er streckte die Handflächen nach außen, um zu zeigen, dass
     er keinen Ärger machen wollte. »Was ist denn los?«, rief er. »Was soll das alles?«
    Natürlich gab ihm der Sergeant keine Erklärung. Wahrscheinlich wusste er selbst nicht, warum er den Befehl erhalten hatte,
     niemanden aus dem Gebäude zu lassen. »Sir, gehen Sie sofort zurück in das Gebäude! Bitte, Sir!«
    Nichts überzeugte Cherry mehr vom Ernst der Lage als diese letzten zwei Worte. Beim Militär verwendete niemand das Wort »bitte«,
     es sei denn, er war wirklich verzweifelt. |392| Eine schreckliche Ahnung kroch aus seinem Bauch hoch, aus dem tiefsten, dunklen Inneren, wo sich seine Urängste verbargen.
    Langsam drehte er sich um und ging zum Eingang zurück. Einige Mitarbeiter standen in der Tür und blickten mit großen Augen
     auf die ungewohnte Szene. »Was ist denn los?«, fragte Schwester Noris.
    Cherry wagte es nicht, ihr in die Augen zu blicken. »Keine Ahnung«, sagte er und zuckte mit den Schultern.
    Ein weiterer Hubschrauber landete, und seinem Inneren entstiegen Gestalten in gelben Schutzanzügen. Cherrys düstere Ahnung
     wurde zur Gewissheit. Er dachte an das neue Medikament, das er dem jungen Soldaten vor kaum mehr als einer Stunde injiziert
     hatte.
    Irgendjemand hatte Mist gebaut. Er würde den Preis dafür zahlen müssen, er und alle Patienten und Mitarbeiter in diesem Teil
     des Gebäudes. Was immer es war, das sich statt des antiviralen Serums in der Charge befunden hatte, es war sicher keine harmlose
     Sommergrippe, wenn man den Aufwand betrachtete, den sie hier trieben. So war das beim Militär – einer baute Mist, und viele
     andere mussten es ausbaden. Das hatte er immer gewusst.
    Er wartete nicht ab, bis die Männer in Gelb mit ihren Lügengeschichten und Beschwichtigungen eintrafen. Mit langsamen Schritten
     ging er in das Gebäude und schloss die Tür hinter sich. Fragen prasselten auf ihn ein wie Regen, doch er konnte nur mit den
     Schultern zucken. Die Fragen verstummten, als seine Leute die Tränen in seinen Augenwinkeln sahen.
    Er würde nie mehr mit Jake und Timmy angeln gehen.

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    |393| 99.
    Hamburg-Hafencity,
    zwei Monate später
    »Was Sie jetzt sehen, ist eine echte Weltpremiere«, sagte Mark Helius auf Englisch. Seine Hand zitterte leicht, als er die
     Enter-Taste drückte, um das Programm zu starten. Er unterdrückte den Impuls, sich durch sein kurzes schwarzes Haar zu fahren,
     in dem sich ein paar neue graue Strähnen eingenistet hatten. Die letzten Wochen hatten ihren Preis gefordert.
    Er blickte in die ernsten Gesichter der Leute, die hier am Konferenztisch von D. I. versammelt waren. Es waren sieben Männer
     und eine Frau, deren Gesichter alle schon die Titelseiten der Wirtschaftsmagazine geziert hatten. Zusammen verkörperten sie
     die Elite der internationalen High-Tech-Industrie. Wenn ihm jemand vor etwas mehr als zwei Monaten erzählt hätte, dass er
     auch nur einen dieser Menschen persönlich kennenlernen würde, hätte er vor Aufregung eine Nacht nicht schlafen können. Jetzt
     jedoch empfand er fast so etwas wie Mitleid – sie alle waren nur Getriebene einer technologischen Entwicklung, die ihnen längst
     aus den Händen geglitten war.
    Sie waren nach Hamburg gekommen – aus ihrer Sicht am Ende der Welt, technologisch

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