Das System
wahrscheinlicher ist ein technischer Fehler.«
Grimes explodierte fast. »Sie wollen mir doch nicht weismachen, dass das ein Zufall ist!«, brüllte er schon wieder. »Das war
Sabotage!«
Unger ignorierte ihn. Er wandte sich an Tümmler.
»Können Sie sagen, von welchem Server der Brand ausging?«, fragte er, obwohl er die Antwort ahnte.
|190| Tümmler nickte. »Vom DINA-Kernel-Server.«
»Heißt das, Ihre Software funktioniert nicht mehr?«
Tümmler wirkte blass. »Ja, das stimmt. Die laufende Instanz von DINA ist zerstört, und wir haben keine Source Codes mehr,
um sie wieder hochzufahren. Es wird Monate dauern, bis wir den Betrieb wiederaufnehmen können.«
»Die Firma ist praktisch ruiniert«, sagte Andresen mit hängendem Kopf. Unger verspürte das Bedürfnis, sie in den Arm zu nehmen
und zu trösten.
»Blödsinn«, polterte Grimes drauflos. »Wann die Firma ruiniert ist, bestimme ich! Wir lassen uns nicht so schnell fertigmachen.
Der Mistkerl glaubt vielleicht, er hat gewonnen. Aber wir fangen eben wieder von vorn an.« Er warf Tümmler einen finsteren
Blick zu. »Dann können wir gleich die Fehler im Code beseitigen.«
Sie verließen das Büro. Unger ordnete an, dass niemand die Firma betreten dürfe, bis der Brandexperte die genaue Ursache für
das Feuer festgestellt habe. Grimes schien nicht glücklich über diese Anweisung, widersetzte sich jedoch nicht. Er stellte
sich auf die Treppenstufen zum Eingang des Gebäudes und sprach zu den versammelten Mitarbeitern, während Dreek und Unger etwas
abseits mit Andresen standen.
»Warum wollte Helius, dass der Server heruntergefahren wird?«, fragte Unger.
»Ich habe es auch nicht genau verstanden«, sagte Andresen. Ihr hübsches Gesicht sah sorgenvoll aus. »Er glaubte, dass Rainer
Erling Ludger Hamacher umgebracht hat. Und er hat etwas von Pandora gesagt, und dass sie Erling getötet habe.«
»Pandora? Wer ist diese Pandora?«
»Wenn ich Mark richtig verstanden habe, dann ist Pandora ein Softwareprogramm.«
»Helius glaubt, ein Computerprogramm könnte Erling umgebracht haben?«
|191| Andresen nickte.
»Halten Sie das für möglich?«
»Ich bin nicht sicher. Es klingt ziemlich unglaublich. Aber Mark versteht mehr von diesen Dingen als ich. Wenn er davon überzeugt
ist, dann halte ich es für möglich, dass er recht hat.«
Unger schüttelte den Kopf. Die Idee klang wirklich absurd. Andererseits waren schon viele Menschen durch technische Fehler
umgekommen, und was wusste er schon von modernen Computersystemen? Trotzdem war es viel wahrscheinlicher, dass der wahre Mörder
genau diesen Eindruck erwecken wollte.
»Als Helius gestern hier war, kam er in Begleitung einer Frau. Sehr schlank, circa einsachtzig groß, gutaussehend, kurze dunkle
Haare. Sie trug schwarze Kleidung. Haben Sie eine Ahnung, wer das sein könnte?«
Andresen überlegte einen Moment. »Sehr schlank, sagen Sie …« Ein Funke der Erkenntnis schien für einen Augenblick ihr Gesicht
zu erhellen, doch sie schüttelte den Kopf. »Nein, tut mir leid, keine Ahnung.«
Unger ahnte, dass sie log. »Bitte, Frau Andresen«, sagte er. »Ich glaube nicht, dass Helius der Mörder war, aber ich muss
unbedingt mit ihm sprechen. Vielleicht ist er selbst in Gefahr.«
Sie sah ihn einen Moment lang mit ihren grünen Augen an, als überlege sie, ob sie ihm vertrauen könne. Dann nickte sie. »Also
gut. Sie heißt Lisa Hogert. Sie hat mal hier gearbeitet. Wir haben sie vor drei Monaten entlassen. Ich suche Ihnen gleich
ihre Adresse heraus.«
Unger lächelte. »Danke!«
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|192| 46.
Hamburg-Altona,
Montag 9:50 Uhr
Mark blickte in die Gesichter der anderen Fahrgäste der U-Bahn, die sich jetzt mit dem Ende des Berufsverkehrs allmählich
leerte. Die meisten Mienen waren ausdruckslos, manche wirkten müde, andere waren voller Sorgen und Unsicherheit. Nur eine
ältere Frau lächelte still in sich hinein.
Er kam sich vor wie ein Fremder, schon wieder auf der Flucht. Er gehörte nicht mehr dazu. Die Leute um ihn herum hatten keine
Ahnung, welches Unheil sich in den weltweiten Datennetzen zusammenbraute. Es war seine Firma, in der dieses Unheil entstanden
war, und es gab nichts, was er dagegen tun konnte. Niemand würde ihm glauben, und seine einzige Verbündete hatte er leichtfertig
verloren.
Er machte sich Vorwürfe, weil er sich mit Lisa gestritten hatte. Immerhin hatte sie viel riskiert, als sie ihm half. Er hätte
mehr Verständnis für ihre
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