Das Tagebuch der Eleanor Druse
so gehässig sein wie er, was wiederum bedeutete, dass der physische Leib dieses Mannes nichts anderes als eine Hülle für seinen abgrundtief bösen Geist darstellte.
»Dr. Stegman nimmt selten ein Blatt vor den Mund«, fuhr Metzger fort. »Er macht sich Sorgen um Sie, genauso wie ich auch. Und Schwester Claudia habe ich hergebeten, weil ich weiß, dass auch sie sehr um Ihr Wohlergehen besorgt ist.«
Claudia nickte. »Sally, Dr. Metzger und ich sind der Meinung, dass es zu Ihrem eigenen Besten ist, wenn Sie etwas gegen die Krampfpotenziale unternehmen, die laut EEG bei Ihnen vorhanden sind.«
»Ich nehme nicht gern Medikamente«, sagte ich. »Wenn wirklich etwas in meinem Gehirn nicht stimmt, würde ich lieber mit meinem eigenen Hokuspokus dagegen angehen.
Wenn tatsächlich etwas geheilt werden muss, dann werde ich mich selbst kurieren.«
»Die medikamentöse Therapie führt bei einem Drittel aller Patienten zum völligen Verschwinden der epileptischen Anfälle«, sagte Metzger. »Bei einem weiteren Drittel wird die Häufigkeit der Anfälle drastisch reduziert. Und was den Hokuspokus anbelangt, so sind mir keinerlei Studien bekannt, die …«
»Wenn die Anfälle nicht ärztlich behandelt werden«, unterbrach ihn Claudia, »dann kann es sein, dass Sie wieder umkippen. Oder die Anfälle könnten immer schlimmer werden und zu geistigem Verfall führen. Bei einem so hellen Kopf wie dem Ihren, Sally, wollen wir das doch auf keinen Fall riskieren.«
»Manchmal kommt es vor, dass sich Patienten mit ihren Anfällen ganz wohl fühlen«, sagte Metzger. »Und dann mögen sie die Medikamente nicht, weil sie sich dann übermäßig sediert, fahrig oder benebelt fühlen. Andere Patienten haben nach der Einnahme von Antiepileptika das Gefühl, leicht beschwipst zu sein. Wir testen gerade einen neuen Wirkstoff, und ich würde Sie gerne in die Studie mit aufnehmen. Für Sie könnte dabei von besonderem Interesse sein, dass er nicht nur jegliche Krampfaktivität unterbindet, sondern manchmal sogar zu intensiven mystischen Erfahrungen führen kann.«
»Intensive mystische Erfahrungen?«, fragte ich. »Klingt irgendwie nach Psilocybin, Ayahuasca oder LSD, finde ich.«
»Nicht doch, meine Liebe«, sagte Metzger. »So weit wollen wir nicht gehen. Aber in der Tat gibt es Berichte von Patienten, die nach der Einnahme unseres Wirkstoffs neben einem Gefühl intensiver Zufriedenheit auch eine …« – er lächelte mich an – »Wie haben Sie das so schön ausgedrückt? … eine gewisse Empfänglichkeit für Wunder und die Einheit aller Lebewesen und Dinge verspürt haben.«
»Unsere Patienten haben das Recht, falsche Entscheidungen zu treffen«, sagte Claudia. »Wir können Sie nicht zwingen, die Medikamente zu nehmen. Wir können Sie nur so gut wie möglich aufklären.«
Claudia sorgte sich wie eine Tochter um mich, was mich zutiefst berührte. Ich fragte mich, ob ich die Medikamente nicht doch ausprobieren und abwarten sollte, was dabei herauskam.
»Wir würden es gerne mit dem Antiepileptikum Scyllazin versuchen«, sagte Dr. Metzger. »Es hat den Vorteil, dass es nur wenige Nebenwirkungen hat, die einer aktiven und temperamentvollen Person wie Ihnen, Mrs. Druse, Probleme bereiten könnten. Sollten tatsächlich welche auftreten, können wir ihnen mit Charybdisol entgegenwirken.«
»Wenn ich mich dazu bereit erkläre, dieses Zeug zu nehmen«, erwiderte ich, »lassen Sie mich dann nach Hause?«
Claudia lächelte.
»Wir werden Sie nur so lange hier behalten, bis wir Sie richtig auf das Medikament eingestellt haben«, versicherte Metzger. »Vermutlich können wir Sie innerhalb einer Woche entlassen, und Sie dürfen wieder zurück nach Maine.«
Als Claudia meinen Gesichtsausdruck sah, gab sie mir einen dicken Kuss.
Also her mit dem Zeug!
Beim Umgang mit Ärzten gibt es einen simplen Trick: Man bringt sie dazu, die notwendigen Tests durchzuführen und nimmt aufgrund der dabei gewonnenen Ergebnisse die eigene Genesung dann selbst in die Hand. Lässt man diese Schulmediziner zu nahe an sich heran, dann rücken sie einem mit ihrer auf den Grundsätzen von Ursache und Wirkung beruhenden Weltsicht auf den kostbaren Ätherleib. In diesem Fall aber war ich bereit, Metzger einen gewissen Vertrauensvorschuss zu gewähren.
Den habe ich nicht allen Ärzten in meinem Leben eingeräumt. Im Jahr 1972 – damals war ich vierundvierzig – eröffnete mir Dr. Cherilyn Crabb, eine Onkologin im Kingdom Hospital, eine Diagnose, die einem
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