Das Tagebuch der Eleanor Druse
vertrottelte alte Schabracke mit einem kapitalen Hirnschaden.«
»Uns geht es wie Ihnen, Mrs. D.«, sagte Danny. »Wir können nichts beweisen, aber …« Er blickte hinüber zu Ollie.
»Was ist los, Jungs? Raus mit der Sprache.«
»Sag’s ihr, Ollie«, verlangte Danny.
»Na ja«, meinte Ollie. »Kennen Sie den Nozz-A-La-Cola-Automaten direkt neben dem Dienstzimmer im ersten Stock des Westflügels?«
»Ja«, antwortete ich.
»Der Automat hat an der einen Seite einen Chromstreifen, den die Putzfrauen immer blitzblank polieren. Bevor ich meine Münzen einwerfe, schaue ich da immer in den Spiegel, ob meine Frisur okay ist. Genau das habe ich auch neulich nachts getan, und ich war mir hundertprozentig sicher, dass ich ganz allein im Korridor war. Aber dann legt mir plötzlich jemand die Hand auf die Schulter.«
Ich sah, wie Ollie eine Gänsehaut bekam. Das und seine zitternde Stimme sagte mir, dass er keinen Unsinn erzählte.
»In dem Chromstreifen habe ich keine Spiegelung gesehen, Madam, aber wie ich mich umdrehe, steht da plötzlich ein alter Mann, so um die siebzig oder achtzig, mit einem kahlen Schädel. Er hat ein altes braunes Jackett, eine Krawatte und ein Hemd mit einem ganz komischen, altmodischen Kragen an und eine große schwarze Doktortasche mit verrosteten Beschlägen in der Hand. Ich habe sofort gewusst, dass mit diesem alten Zausel was nicht stimmt. Seine Haut war bleich wie Wachs und seine Lippen fast weiß. Außerdem war der so dürr wie eine Vogelscheuche und hat eher wie ein Bestatter ausgesehen und nicht wie ein Arzt.«
»Das ist der Mann«, sagte ich.
»Erzähl ihr, was er zu dir gesagt hat, Ollie«, forderte Danny ihn auf.
»Der Alte schaut mich an und fragt: ›Können Sie mir sagen, wo sie die Kinder hingebracht haben?‹«
Ollie fing an zu zittern und schüttelte sich. »Brrr«, machte er.
»Ich mochte seinen Blick nicht, wie er das gesagt hat, Madam.
Also sage ich: ›Ich arbeite zwar nicht hier, aber die Päds ist im siebten.‹ Und er schaut mich an und macht so ein komisches Gesicht. ›Die Päds?‹, fragt er, und ich sage: ›Na ja, die Pädiatrische Abteilung halt‹, und ich schaue seine halb kaputte alte Doktortasche an und frage ihn: ›Antikes Stück, was?‹, und er schaut auch auf die Tasche und meint: ›Vielleicht. Vielleicht auch nicht.‹ Und dann sagt er: ›Danke. Siebter Stock also‹, und trollt sich. Und ich drehe mich um und werfe mein Geld in den Automaten, weil ich den Kerl nicht mehr sehen will. Wenn der bloß verschwindet, denke ich und höre, wie er weggeht. Aber nur einen Augenblick später höre ich keine Schritte mehr, und wie ich mich ganz schnell umdrehe, ist der Korridor … leer.«
»Hat sonst noch jemand den Mann gesehen?«, fragte ich.
»Hat er mit sonst jemandem gesprochen? Hat er Namen genannt? Oder ein Datum? Gibt es in dem Korridor eine Überwachungskamera?«
Ollie und Danny sahen sich an.
»Ich glaube nicht, dass er auf dem Video zu sehen sein wird, Mrs. D.«, sagte Danny. »Wir können ja mal Otto fragen, aber wenn er sich nicht im Chrom gespiegelt hat, wird er sich auch nicht auf ein Magnetband aufnehmen lassen. Wichtig ist doch nur, dass er irgendwie da ist.«
»Seine Pupillen sahen aus wie die einer Schlange«, sagte Ollie, »und sie steckten ganz tief in dunklen Höhlen.«
»Wart ihr zwei eigentlich im Krankenhaus, als Madeline Kruger starb?«
»Und ob wir da waren«, sagte Ollie. »Wir haben sie sogar eingeliefert. Sie lag schon mausetot auf ihrem Küchenboden, aber Danny hat sie wieder zurückgeholt.«
Danny sah mich schuldbewusst an. »Ich mache das nicht gerne bei Leuten, die sich selbst das Licht ausknipsen wollten, aber wenn zwei Polizisten neben mir stehen, dann muss ich es tun. Schließlich gehört das zu meinem Job.«
»War das nicht ein irrer Zufall?«, fragte Ollie. »Da dreht jemand das Gas auf und legt den Kopf ins Backrohr, und fünf Minuten später kommt ein Mann vom Gaswerk, um den Zähler zu überprüfen. Wenn man das in einem Film sieht, glaubt man es nicht.«
»Habt ihr Madelines Abschiedsbrief gesehen?«
»Einen Abschiedsbrief haben wir keinen gesehen, aber die Polizei hat irgendwelche Papiere mitgenommen, die auf dem Tisch lagen.«
»Mir hat man erzählt, sie hätte einen Abschiedsbrief hinterlassen«, sagte ich.
»In dieser Nacht war so viel los, da hätte sie sogar die Qumran-Rollen hinterlassen können«, sagte Danny. »Und wir hätten nicht mal Zeit gehabt, auch nur einen einzigen Blick
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