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Das Tagebuch der Eleanor Druse

Das Tagebuch der Eleanor Druse

Titel: Das Tagebuch der Eleanor Druse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Motivation sowie in vielen anderen ebenfalls auf -ion endenden Bereichen dadurch herbeiführen, indem zunächst einmal alles umbenannt wurde.
    Patienten waren nicht länger Patienten oder wurden als komatöse Gorks (= God only really knows – Nur Gott weiß es wirklich) oder unliebsame Gomers (= Get out of my emergency room – Raus aus meiner Notaufnahme) bezeichnet und waren auch nicht mehr »die Leber in Bett sechs« oder »das offene Herz in Bett fünf«, wie das bisher auf praktisch allen Stationen der Fall gewesen war. Auch »lebendes Kapital«, wie sie bisher von Verwaltungsangestellten gerne bezeichnet wurden, sollten sie nicht genannt werden. Nein.
    Laut Operation Morgenluft waren Patienten fortan ausschließlich als »Morgenluft-Klienten« zu bezeichnen.
    Es hätte eines Dilbert oder eines Kafka bedurft, um die groteske Belanglosigkeit von Operation Morgenluft zutreffend zu beschreiben, und Ärzte wie Dr. Hook und Dr. Massingale empfanden den unsinnigen Don’t-worry-be-happy-Optimismus, den das Programm verbreiten sollte, eher als kräftezehrend und entmutigend. Die leitenden Angestellten der mittleren Führungsebene, die alle vorgaben, für OML Feuer und Flamme zu sein, traktierten die ehrenamtlichen Mitarbeiter und auf Stundenbasis arbeitenden Aushilfen solange mit Aufklebern und motivierenden Sprüchen, bis wir schließlich alle ständig lächelnd umherliefen wie das Personal eines Sommercamps für krebskranke Kinder und einander immer wieder daran erinnerten, doch einmal richtig durchzuatmen und die frische Morgenluft zu genießen.
    Sogar Lenny hatte einen OML-Aufkleber auf die Rückseite seiner Casino Queen geklebt, eines Blackjack-Minicomputer-Spiels, das er von einem seiner Enkel bekommen hatte und das er in jeder wachen Minute mit fanatischer Begeisterung spielte.
    Wenn es ihm gelang, das Ding zu schlagen, verfiel er in einen regelrechten Freudentaumel, der nicht so recht zu einem Todkranken passen wollte. Verlor er hingegen, kamen ihm seine letzten Tage wie ein entsetzliches Jammertal vor.
    Es fiel mir schwer, ihn an einem solchen Ort auf seine letzte Reise vorzubereiten, aber andererseits sagte ich mir, dass es jemanden, der in seinem 83-jährigen Leben über vierzig Länder bereist und zwei Kriege miterlebt hatte und nun in den letzten Tagen seines Lebens wie besessen Casino Queen spielte, vermutlich herzlich egal war, was auf einem kitschigen Katzenposter stand.
    Es machte mir keine Mühe, in diesem ausgezehrten, durch Kissen in eine sitzende Position gebrachten Körper den kraftstrotzenden jungen Lenny von früher zu sehen. Im Tod werden die verschiedenen Menschen, die wir in allen Augenblicken unseres irdischen Lebens waren, zu einem einzigen, allumfassenden Selbst wiedervereint.
    »Sally«, sagte er, und seine blauen Augen leuchteten wie ein Morgen im Mai.
    »Lenny«, antwortete ich. Mehr mussten wir nicht sagen. 
    Lenny war eine Marke für sich, Michelangelos David vom Hals abwärts und der gute alte Lenny Stillmach mit der großen Nase und den Groucho-Marx-Augenbrauen vom Kinn aufwärts. Ich liebte ihn sehr. Wir hatten immer viel Spaß zusammen gehabt, aber wir haben nur einmal miteinander geschlafen. Das hat zwar nie jemand erfahren, aber es stimmt: Lenny und mich verband eine gemeinsame Nacht. Das war unser Geheimnis. Nur ein einziges Mal, als wir noch jung waren und unsere Hormone Purzelbäume schlugen. Der Zweite Weltkrieg war gerade vorüber und das ganze Land im Freudentaumel. Wir mussten es in einem Sessel machen, weil Lennys Arm in einer Schlinge steckte. Auf seiner Überfahrt zurück in die Staaten hatte er sich bei einem Rohrkrepierer einer Bordkanone einen Granatsplitter eingefangen. Es war Sommer, aus dem nahen Tanzsaal drang leise Swing-Musik herüber, unser Blut geriet in Wallung, und unsere Herzen waren noch stark. Lenny sagte immer: »Wir hatten nur dieses eine Mal, Sally, aber es war für alle Zeit.«
    Nur dieses eine Mal, für alle Zeit. Wenn wir uns danach zufällig auf den gewundenen Flussläufen oder den stillen Altwassern des Lebens begegneten, hatte er für gewöhnlich ein unförmiges Etwas mit getönten Haaren und gezupften Augenbrauen im Schlepptau, das nur von seiner Katze reden konnte, oder ich hatte den penetrant überheblichen Randall an meiner Seite, der ständig den Professor für Kunstgeschichte raushängen ließ, etwas von der Symbolik der Hände auf dem Genter Altar oder seiner neuesten Veröffentlichung über die Ikonographie im Werk Hugo van der

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