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Das Tagebuch der Eleanor Druse

Das Tagebuch der Eleanor Druse

Titel: Das Tagebuch der Eleanor Druse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Filzstift geschrieben: UNTERLAGEN DR. GOTTREICH.
    Als ich den Namen las, erstarrte ich, als sei die Zirkulation meiner Hirn-Rückenmarks-Flüssigkeit blockiert. Mir war kalt und heiß zugleich, und ich konnte auf einmal keinen klaren Gedanken mehr fassen. Ein Gefühl der Übelkeit breitete sich in meinem Magen aus und schoss mir durch Arterien und Nervenbahnen in den Kopf, wo es eine Explosion aus Licht auslöste, dass mir zeitweise Hören und Sehen verging. Auf einmal war nur noch eines in meinen Gedanken: der Name Gottreich.
    Wieder hatte ich das Gefühl, als würde ich mich in der Dunkelheit an einer schwarzen Mauer entlangtasten, aber jetzt wusste ich, dass ich mich nur einmal gegen diese Mauer stemmen musste, um einen Durchgang zu meinen Erinnerungen an Dr. Gottreich zu öffnen.
    Hilda machte ein Gesicht wie eine Metzgerin, die ihr handwerkliches Können zur Abwechslung einmal an menschlichem Fleisch unter Beweis stellen wollte. Sie fuchtelte mir mit der Mappe vor dem Gesicht herum.
    »Das hier sind die Papiere, nach denen Sie suchen, Sie neugierige alte Hexe!«
    Bobby trat zwischen uns und zeigte plötzlich eine Stärke, die ich bisher an ihm noch nicht gekannt hatte.
    »Bitte nicht in diesem Ton, Mr. Kruger.«
    Er sagte es höflich, aber bestimmt wie jemand, der seit Jahren im Gesundheitswesen tätig ist. Ich habe hier das Sagen, nicht Sie, war die Botschaft, die deutlich herüberkam. Wie stolz ich auf ihn war! Das war mein Sohn, und ich liebte ihn! Hilda knurrte Bobby und mich böse an und fuchtelte wieder mit der Mappe herum.
    »Jeder, der das hier liest, wird verrückt und versucht sich umzubringen. Hier bitte, wenn Sie unbedingt die Nächste sein wollen!«
    Mit diesen Worten schleuderte sie mir die Ablagemappe an Bobby vorbei in den Schoß.
    »Werden Sie glücklich damit, Sie alte Schachtel! Ich hoffe, sie sperren Sie mit dem Zeug in ein Einzelzimmer und geben Ihnen eine Rasierklinge in die Hand.«
    Mit wutverzerrtem Gesicht holte sie aus, um mir eine saftige Ohrfeige zu verpassen, aber Bobby trat dazwischen, packte sie am Handgelenk und drängte sie vom Aufzug weg in Richtung auf die Stationszentrale der Psychiatrie, hinter deren mit Drahtgitter verstärkten Glasscheiben eine Schwester und ein Krankenpfleger die Szene interessiert verfolgten. Bei dieser Aktion glitten die beiden Mappen, die er unter den Arm geklemmt hatte, zu Boden, und die darin enthaltenen Blätter verteilten sich zwischen Aufzug und Korridor. Ein paar davon landeten direkt vor meinen Füßen. Die Schwester in der Station nahm den Telefonhörer ab und tippte eine Nummer.
    Ich war noch immer völlig perplex und bekam kaum richtig mit, wie Bobby die völlig außer Rand und Band geratene Hilda Kruger zu beruhigen versuchte. Ich hatte nur Augen für den Namen auf der Mappe in meinem Schoß. DR. GOTTREICH.
    Und dann schloss sich die Aufzugtür. Bobby versuchte zwar noch, sie aufzuhalten, aber weil er dazu Hilda loslassen musste und diese sofort wieder einen Angriff auf mich startete, gelang es ihm nicht. Während er die Walküre zu bändigen versuchte, ging die Tür vollends zu, und ich war allein in der Kabine.
    Der Aufzug setzte sich in Bewegung. Nach unten.

SPIEGEL IN DIE VERGANGENHEIT
    Ein paar der Blätter aus den Registraturmappen waren bis in die Aufzugkabine gesegelt und lagen nun vor und neben meinem Rollstuhl. Eines davon war ein vergilbtes, stockfleckiges Formular, auf dem ganz oben »AUFNAHMEBOGEN« stand. Ein schräg aufgesetzter Stempelaufdruck, der vor vielen Jahrzehnten einmal rot gewesen und inzwischen zu einem fahlen Braun verblasst war, besagte: NICHT VERNICHTEN! FORSCHUNGSSTUDIE DR. GOTTREICH. 
    Bobbys Worte von gestern kamen mir wieder in den Sinn: Patientenakten werden hier sieben Jahre lang aufbewahrt …
    Danach werden sie verbrannt, außer, die Patienten haben an einer Studie teilgenommen.
    Als ich den Namen Gottreich las, wurde mein Blick so verschwommen, dass ich die Lesebrille abnehmen und mir die Tränen aus den Augen wischen musste.
    Das Formular sah aus wie ein ganz normaler Aufnahmebogen eines Krankenhauses.
    Name des Patienten: Druse, Eleanor S. Geschlecht: Weiblich Geburtsdatum: 2.11.1928 Aufnahmedatum: 24.10.1939
    Aufnahmediagnose: Pertussis, Keuchhusten Behandelnder Arzt: Dr. E. Gottreich Behandlung: Isolation. Abtrennung des Bettes durch hohe Holztrennwände. Kühle, feuchte Raumluft.
    Rotkleesirup/Rotkleetee als Expectorans. Kraftbrühe gegen Marasmus.
    Auf einem ähnlichen Formular, das in der

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