Das Tagebuch der Patricia White (German Edition)
meiner Frage halten sollte. Ich hatte sie gefragt, ob sie wusste, was mit Patricia los wäre, warum sie so traurig und ängstlich wäre. Sie erzählte mir, dass ihr Vater vor einigen Tagen gestorben wäre. An einer Infektion nach einer Herzoperation.
»Warum wollen Sie das wissen, Mister … «
»Reynolds. Ich habe sie gestern nach der Fragestunde vor der Toilette getroffen und kurz mit ihr gesprochen. Und sie schien mir sehr verwirrt zu sein. Irgendwie hat mich das nicht mehr losgelassen und ich dachte mir, ich frage einfach mal nach, ob Sie irgendwelche Hintergründe wissen. Heutzutage muss man ja auf solche Anzeichen achten.«
»Sehr aufmerksam«, sagte die Heimleiterin und lächelte. »Aber machen Sie sich keine Sorgen. Patricias Zustand hängt sicher mit dem Tod ihres Vaters zusammen. Ist ja auch nicht leicht, so etwas zu akzeptieren, oder?«
»Ganz sicher nicht«, sagte ich und bedankte mich für die Auskünfte. Die Heimleiterin versprach, ein Auge auf das Mädchen zu werfen und sofort nachzufragen, wenn ihr etwas Seltsames auffiel.
Vielleicht hatte ich mich geirrt. Vielleicht war es tatsächlich nur die seelische Anspannung, nachdem ihr Vater gestorben war, die sich in Verwirrung und Angst äußerte. Vermutlich. Dennoch fühlte ich, dass Sandra mich angelogen hatte. Sie wusste, was es mit Eddie auf sich hatte. Und sie wusste, warum Pat ricia Angst vor ihm hatte. A llein die Tatsache, dass sie mir etwas verschwieg, machte mich zornig – wie ihre spontanen Wesen-Wechsel. Einmal die ängstliche und hilflose Sandra, und zehn Sekunden später eine resolute und jähzornige Frau, die selbst einem Mann wie mir Respekt einflößte. D ann rief sie mich wieder weinend an und sagte, wie leid es ihr täte, so mit mir gesprochen zu haben. Wie vor einer halben Stunde, als sie mich angefleht hatte, sie nicht zu verlassen. Ich sagte ihr, dass ich nach dem Dienst bei ihr vorbeischauen würde und dass wir dann noch einmal reden würden. Über unsere Beziehung – und alles andere. Auch wenn die Heimleiterin einen plausiblen Grund für Patricias Zustand geliefert hatte – irgendetwas stimmte nicht mit dem Mädchen. Und mit Sandra. Und es hatte mit Eddie zu tun.
11. August 2011
12:30 mittags (59 Stunden früher)
Sandra schüttelte wieder und wieder den Kopf. »Was willst du von mir wissen, Jack? Ich verstehe deine Frage nicht.« Sie wa r aus ihrem Stuhl aufgesprungen, ging schnell an mir vorbei, schloss die Tür zum Therapiezimmer und starrte mich dann kampfeslustig an.
»Was gibt es an dieser Frage nicht zu verstehen?« Auch ich stand auf und ging langsam zur Tür. »Patricia hat Angst vor Eddie und ich möchte wissen, warum! So einfach ist das!«
»Und woher soll ich das wissen? Ich hab dir doch gesagt, dass ich mit ihr reden werde! Also warum glaubst du, dass ich das hier und jetzt beantworten kann?«
»Irgendetwas stimmt da nicht! Ich spüre es! Ich weiß es!«
»So? Du weißt es? Komm schon, Jack! Du weißt so gut wie ich, dass diese Gefühle nichts anderes als Entzugserscheinungen sind! Oder hat sich der Mister Firefighter wieder mal ein Schlückchen genehmigt?«
»Du weißt ganz genau, dass ich trocken bin, und du weißt genau, was es mit Eddie auf sich hat. Und du wirst es mir jetzt sagen!«
»Sonst was? Wirst du mich schlagen? So, wie … «
»Ich habe dich nicht geschlagen!«
»Ja, ja – aber du hast es fast getan! Weil du ein feiger Arsch bist!« Sie holte zum Schlag aus.
Ich hob instinktiv meine rechte Hand, ließ sie aber sofort wieder herabsinken. »Ich werde herausfinden, was es mit Patricia und Eddie auf sich hat, das schwöre ich dir. Und wenn hier etwas faul ist, dann werde ich Eddie in Stücke reißen!« Ich drängte Sandra zur Seite und riss die Tür auf. »Und dich auch!«
11. August 2011
7:30 morgens (64 Stunden früher)
Cole wohnte in Castleton Corners und konnte mir daher mitteilen, welche Schule sich in der Nähe des Kinderheimes befand. Zwar war er etwas überrascht, als ich ihm diese Frage stellte, gab sich dann aber mit der Erklärung zufrieden, dass einer meiner Freunde von Manhattan nach Staten Island ziehen und sich für seine Tochter informieren wollte, wo die besten Schulen auf der Insel wären. Cole empfahl mir die St.Rita School , da beide seiner Kinder dort ihre Schulzeit verbracht hatten, und meinte, er würde meinem Freund gerne helfen, in Castleton Corners ein Haus zu finden. Er wüsste auf Anhieb zwei schöne Objekte, die zum Verkauf stünden. Ich
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