Das Tagebuch der Patricia White (German Edition)
einem Parkplatz in Castleton Corners stand in Flammen. Noch während wir hinrasten, spürte ich ein seltsames Drücken im Magen. Ich hatte bei Einsätzen nie ein derartiges Gefühl gespürt, war immer davon überzeugt gewesen, diese flammende Bestie zu besiegen. Aber dieses Mal? Ich fürchtete, dass wir verlieren könnten, als hätte das Feuer nicht nach den Regeln gespielt.
Bei Fahrzeugbränden in verbautem Gebiet lag das Bestreben der Löschkräfte in erster Linie darin, eine Gefahr für die nahegelegenen Häuser auszuschließen. Die Flammen schlugen drei Meter in den Nachthimmel und die Hitze konnte man gut zwanzig Meter weit spüren – trotz Schutzanzug. Während Bob und ich den Fahrzeugbrand unter Kontrolle brachten, kontrollierten James und Cole die angrenzenden Häuser auf Funkenflug. Es dauerte etwa fünfzig Minuten bis Bob – der in dieser Nacht den Einsatz leitete – den Feuer-aus-Befehl gab und wir unsere Gerätschaften wieder zum Abtransport klar machten.
Das NYPD war wenige Minuten nach uns am Brandort eingetroffen und untersuchte gemeinsam mit der Brandermittlung des FDNY die Ursache des Feuers. Plötzlich war Panik unter den Ermittlungsbeamten. »Da ist ein Kind im Wagen!«, schrie einer. Ein dumpfes Raunen ging durch die Menschen, die trotz der Nachtstunde dieses Schauspiel nicht versäumen wollten. Mich traf diese Mitteilung wie ein Blitz. Ich starrte auf das Auto und sah mein mulmiges Gefühl während der Herfahrt bestätigt . Journalisten drängten auf den Wagen zu. Hinter mir blitzte eine Kamera. Ich rannte zum Auto , starrte durch die geborstene Heckscheibe auf die zusammengekauerte Leiche auf der Rückbank.
Mein erster Gedanke galt Patricia. Ich kannte den Grund nicht, aber ich hatte das Gefühl, dieses verbrannte Mädchen im Wagen würde die Kleine aus dem Heim sein. Ich zwang mich zur Ruhe und redete mir ein, dass das nur Unsinn wäre. Ich hatte mich viel zu sehr mit Patricia auseinandergesetzt und sah nun Zusammenhänge, die nicht existierten. Nein, so traurig und schockierend der Umstand des toten Kindes in dem Wagen auch war – dieses kleine Mädchen war nicht Patricia White. Patricia würde friedlich in ihrem Bett liegen und etwas Schönes träumen.
10. August 2011
9:00 Uhr morgens (85 Stunden früher)
Nach dem Dienst fuhr ich zu Sandra in die Praxis. Sie war immer in der Praxis und so gut wie nie in ihrem Appartement. Sie litt unter massiven Schlafstörungen und fand nur dann etwas Schlaf, wenn sie sich drei oder vier dieser Schlaftabletten einwarf. Silent Night , war der Name und Sandra behauptete, dass diese Tabletten die einzigen wären, die ihr zumindest eine Stunde Schlaf bescheren konnten.
Sandra erwartete mich bereits in ihrem Therapieraum. Sie erzählte mir, dass die Kinder begeistert von meinem Auftritt gewesen wären und dass wir unsere FDNY-Tournee durch Staten Island, Manhattan und Brooklyn zu gegebener Zeit wiederholen sollten.
Ich erzählte ihr von dem Gespräch mit Pat ricia und fragte sie, ob sie vo n irgendwelchen Problemen wüsste, die die Kleine bedrückten.
Sandra schüttelte den Kopf. »Die Probleme eben, die alle Mädchen in ihrem Alter haben, wenn sie feststellen, dass sie in einem Rollstuhl sitzen und nicht wie die anderen herumturnen können. Ich werde trotzdem mit ihr reden, okay?«
»Sag aber nicht , dass ich dir etwas erzählt habe.«
»Werde ich nicht.« Sie umarmte und küsste mich. »Mein starker Feuerwehrmann.« Dann schloss sie die Tür zur Praxis ab und zog ihr T-Shirt aus. »Und jetzt retten Sie mich, Mister Firefighter.«
9. August 2011
4:30 nachmittags (102 Stunden früher)
Ich hatte den Turnraum des Heimes bereits verlassen, als ich im Vorhaus vor der Mädchentoilette auf Patricia traf. Ich hatte den Eindruck, dass sie auf mich gewartet hatte. Schon während die anderen Kinder ihre Fragen gestellt hatten, hatte sie mich angestarrt – ängstlich, zurückhaltend und doch bildete ich mir ein hilfesuchend . Aber vielleicht hatte ich mich auch getäuscht.
»Auf Wiedersehen, kleine Prinzessin«, sagte ich und ging auf den Ausgang zu. Patricia drehte sich zu mir und sah mir tief in die Augen. »Alles in Ordnung?«, fragte ich, da ich wiederum den Eindruck hatte, etwas stimmte mit dem Mädchen nicht.
»Es ist nichts«, sagte sie. »Gar nichts.«
Ich kniete mich neben sie. »Hast heute wohl keinen guten Tag, hm?«
Sie schüttelte den Kopf. »Keinen guten Tag. Nein.« Ich bemerkte, wie sie mit den Tränen kämpfte.
»He!
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