Das Tagebuch der Patricia White (German Edition)
Weinst du etwa?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Jetzt komm schon. Was ist denn los? Vielleicht kann ich dir ja helfen? Du weißt doch, wir von der Feuerwehr helfen immer und überall.«
»Niemand kann mir helfen. Auch nicht die Feuerwehr.«
»Na, vielleicht kann Eddie dir helfen. Er ist im Turnraum und spielt mit den Kindern.«
Sie zuckte zusammen und krallte ihre Finger um ein Buch auf ihrem Schoß. Schnell schüttelte sie den Kopf.
»Was ist das?«, fragte ich und zeigte auf den schwarzen Kartoneinband.
»Mein Tagebuch«, sagte sie bemüht leise, als hätte sie mir damit ein großes Geheimnis anvertraut.
»Ich hatte auch ein Tagebuch, als ich in deinem Alter war«, erzählte ich ihr und dass das Tagebuch mein bester Freund war, dem ich alles erzählt hatte.
»Ich erzähle meinem Tagebuch auch alles«, sagte das Mädchen. Immer noch krallte sie die Finger um das Buch. »Auch die Sache mit Eddie.« Sie blickte um sich, als wollte sie sicher gehen, dass uns niemand belauschte.
»Welche Sache mit Eddie?«
Patricia schüttelte den Kopf und umfasste die Antriebsreifen ihres Rollstuhls. Dann fuhr sie los. Im Vorbeifahren flüsterte sie mir etwas zu. Ich hatte den Eindruck, dass das Mädchen neben ihrem körperlichen auch ein großes seelisches Problem hatte. Denn die Worte, die sie mir zuflüsterte, waren: »Eddie ist böse.«
9. August 2011
3:00 Uhr nachmittags (103 Stunden früher)
»Ruhe Kinder! Hört mal zu!« Sandra fuchtelte mit den Armen und versuchte auf sich aufmerksam zu machen. Die Kinder schienen sie nicht zu hören und machten voller Begeisterung die Turnübungen, die Sandra ihnen gezeigt hatte. Zwei Mal die Woche besuchte sie dieses Heim in Castleton Corners und arbeitete mit den Kindern, um so Defiziten in ihrer körperlichen Entwicklung entgegen zu wirken.
»Kinder! Ich habe eine Überraschung für euch!« Das Wort Überraschung hatte seine Wirkung nicht verfehlt. Nach und nach drehten sich die Kleinen zu Sandra und starrten zuerst sie und dann mich erwartungsvoll an. »Heute habe ich einen Gast mitgebracht. Mein en Freund Jack. Jack ist vom FDNY. Wer von euch weiß, was das bedeutet?«
Ein paar Hände fuhren in die Luft. Sandra zeigte auf ein etwa achtjähriges Mädchen ganz vorne in einem Rollstuhl. »Patricia? Was bedeutet das?«
»Das bedeutet: Jack ist bei der New Yorker Feuerwehr«, sagte sie.
Die Kinder blickten mich an, als stünde der Präsident der Vereinigten Staaten vor ihnen. Ihre Augen glänzten vor Ehrfurcht.
Sandra sagte den Kindern, sie könnten jetzt Fragen stellen, die ich ihnen gerne beantworten würde. Die Kinder fragten mich, wie man denn Feuerwehrmann werden konnte, ob auch Frauen zur Feuerwehr durften und ob man die dann Feuerwehrfrau nannte. Sie fragten mich, ob ich schon Menschenleben gerettet hätte, ob ich verletzt worden wäre, ob ich bei 9/11 dabei gewesen wäre und ob es schwierig wäre, einen Löschschlauch zu halten. Alle fragten mich etwas, nur Patricia saß bleich in ihrem Rollstuhl und verzog keine Miene. Nach etwa dreißig Minuten war die Fragestunde zu Ende und ich machte mich bereit in die Feuerwache zu fahren.
Ich hörte noch, wie Sandra abermals die Kinder um Ruhe bat. »Wer von euch hat Lust mit Eddie Feuerwehr zu spielen?«
Die Kinder schrien laut durcheinander. Sandra lachte. »He! Jeder darf mit Eddie spielen, das wisst ihr doch!« Dann ging sie ins Hinterzimmer und kehrte mit einem großen Teddybären zurück. »Hallo Kinder!«, sagte sie mit tiefer , verstellter Stimme. »Eddie will mit euch spielen!«
31
Detective Hiller hatte sich weit in den Bürostuhl zurückgelehnt, die Füße auf dem Schreibtisch gelegt , die Arme hinter dem Kopf verschränkt. Er betrachtete das Bild von Mercury , dem Katamaran, mit dem er und sein Team bei der Florida Keys Midsummer Splash den dritten Platz geholt hatten. Die Sturmböen schienen ihm aus der Wand entgegen zu wehen und zu drohen, ihn das nächste Mal nicht so g limpflich davon kommen zu lassen. Er grinste. Zweimal hätte ihn beinahe der Teufel geholt. Und zweimal hatte sein Team bewiesen, dass es die beste Bootsbesatzung auf diesem Planeten war.
Der nächste Turn war schon fixiert. Ende September. Drüben in Kalifornien. Dort soll es die aggressivsten Wellen und den besten Wind geben, meinte Jackson von der Spurensicherung. Oh ja! Die gab es in Kalifornien – und Mercury konnte es kaum erwarten, ihre rasiermesserscharfen Schwerter in das schäumende Nass zu stoßen, den Spinnaker
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