Das Tagebuch der Patricia White (German Edition)
versprach, diese Information weiterzuleiten.
Ich parkte meinen Wagen vor der Schule und wartete. Ich beobachtete die Kinde r, die zum Schultor rannten. N ach etwa fünfzehn Minuten bangem Warten fiel mir ein Stein vom Herzen. Patricia rollte über den Vorplatz. Sie war blass und auch aus gut zwanzig Meter Entfernung konnte ich die Traurigkeit in ihrem Gesicht erkennen. Aber sie war da. Und das war gut. Sehr gut. Ein Mädchen hielt ihr das Tor auf und Patricia verschwand in dem Gebäude.
Ich musste sie sehen, musste wissen, ob es ihr gut ging. Nur so konnte ich sicher gehen, dass alles in Ordnung war und die wahnsinnigen Sorgen in meiner Brust beschwichtigen. Aber die Ruhe wirkte nur kurz. Denn a uch wenn ich sie eben noch gesehen hatte, hatte ich diese Angst um sie. Ich fürchtete, dass sie in Gefahr war und ihr Hilferuf erst als solcher erkannt werden würde, wenn es zu spät war. Das konnte ich auf gar keinen Fall zulassen.
11. August 2011
4:00 morgens (67 Stunden früher)
Ich hatte bereits viele verbrannte Menschen gesehen und die meisten von ihnen waren tot. Kinderleichen waren bis zu jenem Einsatz nicht dabei gewesen und das war auch der Grund, dass ich die restliche Nacht immer wieder an dieses Kind in dem Wagen denken musste. Auch wenn ich mir selbst einredete, dass es sich nicht um Patricia handeln konnte – sicher war ich mir nicht.
Dieses Gefühl, der Wagenbrand könnte nicht mit rechten Dingen zugegangen sein, verstärkte sich von Minute zu Minute. Bob meinte, dass es Aufgabe der Brandermittlung wäre, die Ursache für das Feuer herauszufinden und ich mir darüber keine Gedanken zu machen brauchte. Aber ich war anderer Meinung. Ich hielt es für unwahrscheinlich, dass ein Kind mitten in der Nacht schlafend in einem Auto verbrannte. Viel wahrscheinlicher war ein Gewaltverbrechen und der Versuch, dieses mit einem gelegten Feuer zu vertuschen. C ole und James gaben mir Recht. I ch war überzeugt, dass dieses Mädchen ermordet worden war.
Oder war es einfach nur die zufällige Tatsache, dass ich am Nachmittag noch mit Patricia gesprochen hatte, die mir jetzt einen wahnwitzigen Streich spielte? Hätte ich anderenfalls nicht so übersensibel auf den Tod dieses Kindes reagiert? Ich wusste es nicht. Aber ich war davon überzeugt, dass Patricias Angst vor Eddie und der Tod des Kindes zusammenhingen. Und ich betete zu Gott, dass dieses Kind nicht Patricia White war.
Cole, James und ich saßen in dieser Nacht im Mannschaftsquartier und sprachen über unsere Arbeit, über die Herausforderungen und psychischen Belastungen. Cole meinte, dass der Anblick der Kinderleiche ihn wieder dazu veranlasst hatte, darüber nachzudenken, ob nicht doch ein anderer Job geeigneter wäre. James verriet, dass er sich genau das nach jedem Einsatz fragte, bei dem Menschen ums Leben gekommen waren. Für ihn war der Job ein Kampf gegen Windmühlen, den er nicht gewinnen konnte u nd obwohl er das wusste, plagten ihn immer wieder Schuldgefühle, am Tod dieser Menschen mitverantwortlich zu sein. Abgesehen davon träumte er von diesen Leichen, und er würde es heute nach dem Dienst tunlichst vermeiden, die Augen zu schließen, weil er zu wissen glaubte, was ihn in diesem Traum erwarten würde.
Ich sagte nichts zu diesem Thema. Natürlich war es nicht einfach, mit dieser Situation klar zu kommen, aber letztlich war es mein verdammter Job, das Feuer zu bekämpfen und dieser Job brachte es mit sich, auch mit unschönen Bildern konfrontiert zu werden. Aber diese Bilder hatte ich immer weggesteckt, lebte mit ihnen, wie mit all den anderen Bildern, die das Leben für einen parat hielt. Das war meine Meinung. Bis heute, als ich die Kleine sah. Ich fürchtete, dass ich mit diesem Bild noch zu kämpfen haben würde. Früher oder spä ter. E s war bereits morgens, als ich merkte, dass sich Angst in mir ausgebreitet hatte. Große Angst – um das Leben von Patricia White.
10. August 2011
11:30 nachts (71 Stunden früher)
Während ich im Mannschaftsquartier auf der Couch lümmelte, musste ich andauernd an Patricia denken. Auch wenn Sandra versprochen hatte, mit ihr zu reden, ließen mich diese hilfesuchenden Augen nicht los. Etwas stimmte nicht. Und dieses Etwas hatte mit Eddie zu tun. Warum hatte Patricia Angst vor ihm? Sie war regelrecht zusammengezuckt, als ich den Namen erwähnt hatte, und schien damit ein traumatisches Erlebnis zu verbinden.
Es war kurz vor Mitternacht, als wir den Einsatzbefehl erhielten. Ein Wagen auf
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