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Das Tagebuch der Patricia White (German Edition)

Das Tagebuch der Patricia White (German Edition)

Titel: Das Tagebuch der Patricia White (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gian Carlo Ronelli
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vor dem Haus sah friedlich aus. Ein Passant stand neben der Grünfläche und betrachtete seinen Hund beim Reviermarkieren. Der Portier las in einer Zeitung. Nur das Heulen einer Sirene, nicht allzu weit entfernt, störte dieses friedliche Bild.
    Mein Blick fiel auf eine lange Reihe von Postfächern, dann auf die Waffe in meiner Hand. Ich musste die Pistole loswerden . Und zwar so, dass die Polizei nicht sofort darauf stieß.
    Der Postfachschlüssel war schnell gefunden. Er war kleiner als die anderen und passte auf Anhieb in das Schloss. Das Fach war leer. Ich legte die Waffe hinein und sperrte es ab. Dann verließ ich bemüht langsam das Gebäude.
    Der Portier blickte über den Rand der Zeitung zur Straße. Die Sirenen der Einsatzfahrzeuge hallten in den Häuserblocks. Reifen quietschten.
    »Was da wohl wieder passiert ist?«, fragte ich ihn und stellte mich vor den Verschlag. Er schüttelte den Kopf.
    »Die Welt ist schlecht. Nur Kriminelle, wohin man schaut.« Er drehte den Kopf zu mir.
    »Na?« Ich versuchte zu lächeln. »Jetzt schauen Sie aber mich an.«
    Er legte die Zeitung vor sich auf das Pult und hob beide Arme abwehrend in die Höhe.
    »Entschuldigen Sie, Mister Reynolds. Das war jetzt nicht … «
    »Schon gut. War nur ein Scherz.«
    Drei W a ge n des NYPD bremsten. Die Türen wurden geöffnet. Polizisten rannten den Zugangsweg zum Haus entlang.
    »Wollen die zu uns?«, fragte der Portier. »Aber … «
    Einer der Beamten stoppte vor der Portierloge. »Hat jemand das Haus verlassen?«, fragte er.
    Der Portier schüttelte heftig den Kopf. Ich tat es ihm gleich, in der Hoffnung, der Schock über den Polizeieinsatz würde dem Portier weiterhin in den Knochen stecken und ihn nicht auf die dumme Idee bringen, dass ich gerade eben das Haus verlassen hatte. Ich rechnete damit, dass ihm das Offensichtliche erst später bewusst wurde. Dann, wenn ich bereits in meinem Wagen saß.
    »Gut«, sagte der Polizist. »Öffnen!« Er zeigte zur Haustür. Der Portier drückte auf den Knopf. Fünf Beamte stürmten in das Haus. Der sechste – jener, der die Frage gestellt hatte – drückte den Rücken gegen die Hauswand und gab ein Zeichen in unsere Richtung, das man als Verschwindet! interpretieren konnte.
    Hastig verließ der Portier seine Loge und rannte in Richtung Straße. Ich humpelte hinterher.
    »Sie haben Recht«, sagte ich beim Vorbeigehen. »Nur Kriminelle.« D er Mann hockte sich hinter einen der Einsatzw a gen und nickte mir zu. »Ich muss zum Arzt«, rief ich und deutete auf meine Wunde. Noch ein Nicken, dann starrte er in Richtung Gebäude.
    Im Wagen wähnte ich mich in Sicherheit, auch wenn ich das Gefühl hatte, beobachtet zu werden. Ich blickte mich um, konnte jedoch nichts Verdächtiges entdecken. Dennoch wusste ich, dass er mich im Visier hatte. Der Komplize. Und es war nur eine Frage der Zeit, bis er freies Schussfeld hatte.
    Wo sind sie?
    Ich hatte keine Ahnung, was der Mann mit dieser Frage gemeint hatte. Während ich mich im Wagen umsah, als hätte sich die Antwort irgendwo zwischen Handschuhfach und Beifahrersitz versteckt, fiel mein Blick auf den Aufgabeschein von FedEx .
    Das Päckchen.
    Handelte es sich bei sie um Unterlagen? Unterlagen, die ich gestern nach New York schicken ließ?
    Ich fasste nach dem blutbefleckten Stück Papier und las:
    Sandra Berington, 50 4th Street, Manhattan, New York.

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    Manhattan, 50 4th Street.
     
    In Augenhöhe war an der Hauswand eine Messingtafel angebracht mit der Aufschrift Sandra Berington, Physiotherapy. 3rd Floor. Die schwarzen Buchstaben schlängelten sich edel über die golden glänzende Fläche und erweckten den Anschein, dass dieses Therapieinstitut nur den Reichsten der Reichen vorbehalten war. Daher bezweifelte ich, in dem mit glänzendem Spiegelglas verkleideten sechsstöckigen Gebäude weiter als fünf Meter zu kommen, ohne vom Portier umgehend auf die Straße gesetzt zu werden. Letztlich war es der Wagen von FedEx vor dem Eingang, der mich ohne länger nachzudenken die Glastür drücken und die Eingangshalle betreten ließ. Die Fahrerkabine des Lieferwagens war leer gewesen, was mich zu der Vermutung veranlasste, mein Paket würde soeben zugestellt werden.
    Erwartungsgemäß empfingen mich skeptische Blicke aus der Portierloge. Ein Schwarzafrikaner, geschätzte zwei Meter groß – im Sitzen – , starrte mich an, und ich meinte, die Spannung seiner Muskeln unter dem weißen Hemd erkennen zu können.
    »Sandra Berington«, sagte ich hastig.

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