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Das Tagebuch der Patricia White (German Edition)

Das Tagebuch der Patricia White (German Edition)

Titel: Das Tagebuch der Patricia White (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gian Carlo Ronelli
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Beleuchtung aus und schlich in das Badezimmer. Die Tür lehnte ich an und drückte meinen Rücken an jene Wand, auf die das Türblatt zu schwang. Dann wartete ich in der Dunkelheit .
     
    Als die Zimmertür geöffnet wurde, war mein erster Gedanke, dass ich das Tagebuch hatte liegen lassen. Ich dachte nicht daran, dass dieser Mann mich töten könnte , sondern fürchtete, dass er das Buch sehen und an sich nehmen würde. Auch wenn ich nicht wusste, ob es mir noch nützen würde, hatte ich doch das Gefühl, dass ich mit dem Buch auch Patricia auslieferte – und Any keine Möglichkeit mehr hätte, mit mir in Verbindung zu treten.
    Das metallene Klicken im Zimmer wischte diese Gedanken fort. Es kam von einer Waffe, die in diesem Moment geladen wurde. Zwei Schritte. Dann ein Ploppen. Jemand hatte abgefeuert. Durch einen Schalldämpfer. Dann schnitt ein Lichtstrahl durch den Türspalt. Scharf zeichnete er sich an den weißen Bodenfliesen ab. Ich hörte ein gepresstes »Shit!«. Der Schütze hatte offenbar bemerkt, dass er auf ein leeres Bett geschossen hatte. Wieder Schritte. Sie kamen näher. Ein Schatten verdunkelte das Li cht auf dem Fliesenboden. Eine Person stand vor der Tür, kaum einen Meter von mir entfernt.
    Meine Muskeln spannten sich.
    Mir war von Anfang an klar gewesen, dass es nur eine minimale Chance gab, diese Begegnung zu überleben. So klein, dass ich daran zweifelte. Doch zweifeln durfte ich jetzt auf gar keinen Fall. Es kam a uf das richtige Timing an. I ch hatte genau einen Versuch.
    Ich konzentrierte mich auf den Türknauf. Silbrig glänzte er im Dunkel. Langsam bewegte er sich auf mich zu. Ich atmete vorsichtig ein. Hob meine rechte Hand. Es wird funktionieren. Es muss funktionieren. Anderenfalls bin ich tot.
    Der Knauf war noch einen halben Meter von mir entfernt. Der Mann konnte nicht wissen, dass ich hinter der Tür stand. Zumindest hoffte ich das. Es wäre immerhin möglich gewesen , dass ich schon aus dem Krankenhaus geflüchtet war. Nein, er weiß ganz bestimmt nicht, dass ich hinter der Tür stehe. Ganz bestimmt nicht.
    Der Türknauf. Noch zwanzig Zentimeter. Ein hallender Schritt. Ich spürte den Mann. Ich wusste nicht, wie das möglich war, aber ich spürte ihn.
    Jetzt.
    Ich griff nach dem Knauf, ließ sämtliche Muskeln meines Armes, nein, meines gesamten Körpers, explosionsartig gegen das Türblatt drücken. Anfangs war der Widerstand gering, als wäre der Mann zurückgesprungen und die Tür würde ins Leere schwingen. Aber dann war er da. Der Widerstand. Ein Schrei und ein morsches Knacken. So schnell ich konnte, zog ich das Türblatt zurück, sprang dahinter hervor und packte den Mann an den Armen. Noch bevor ich drüber nachdenken konnte, wer diese Person war und was sie von mir wollte, donnerte meine Faust in das Gesicht – mit einer Wucht, die den Sumo-Weltmeister um einen Meter nach hinten versetzt hätte. D ies er Mann war schmächtig, was zur Folge hatte, dass er gegen die Wand vor der Tür geschleudert wurde. Mit benommenem und überraschtem Gesichtsausdruck starrte er in meine Richtung und empfing meinen nächsten Faustschlag. Direkt auf das rechte Jochbein. Ein Knacken. Dann ein schmerzhafter Schrei. Im ersten Moment war ich un sicher, ob nicht ich geschrie n hatte, denn ich war überzeugt, dass es meine Hand war, in der dieses Knacken stattgefunden hatte. Die Wucht, mit der meine Faust gegen das Gesicht des Mannes gedonnert war , musste all meine Handknochen zersplittert haben. Schmerz fuhr durch meinen Unterarm. Einen weiteren Schlag würde ich unmöglich ausführen können. Das war aber auch nicht nötig.
    Der Mann taumelte an der Wand entlang, stolperte und fiel längs auf den Boden. Ein weiteres, noch viel grausameres Knacken ließ mich schaudern. Es war ein Knacken, das ein Schädelknochen verursachte, der gegen den metallenen Fußteil eines Rollstuhls krachte. Der Mann blieb reg los liegen. Daneben die Pistole. In seiner schlaffen Hand.
    Ich riss ihm die Waffe aus den Fingern. Fest presste ich den Lauf gegen seine Schläfe. Mein Körper bebte. Mein Finger am Abzug zitterte.
    Schick ihn in die Hölle, Jack! Jetzt!
    »Was willst du von mir?«, presste ich durch die Lippen. Doch der Mann zeigte keinerlei Reaktion. Sein Kopf drehte sich unter dem Druck der Waffe zur Wand und zeigte mir den aufgeplatzten Schädelknochen. Zähflüssiger roter Schleim klebte in den Haaren, quoll aus der Wunde, wie blutiges Gedärm aus einem aufgeschnittenen Schweinebauch.
    Drück ab, Jack.

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