Das Tagebuch der Patricia White (German Edition)
dass die Schlangen verschwunden waren. Ich spürte Schweiß auf meiner Stirn, die zahllosen Wunden auf meinem Oberkörper. Wunden, die in der Realität nicht vorhanden waren.
Aber was war die Realität? Die Schlangen waren Realität. Die Menschen, die mich wie ein Stück Dreck betrachteten , ebenso. Beides war für mich echt. Als würde ich in zwei Welten leben, zwischen denen ich je nach Gutdünken eines boshaft en Spielleiters hin- und herkatapultiert wurde . Nur – wer war dieser Spielleiter? Gott? Satan? Any? Ich wusste es nicht. Ich wusste nur, dass ich nichts mit dieser anderen Welt zu tun haben wollte.
Hatte ich im Krankenzimmer noch gedacht, ich würde eine Art Film betrachten, so waren die letzten Minuten der Beweis, dass dem nicht so war. Es war weit mehr als die Projektion meines Geistes. Jede Halluzination hatte jetzt körperliche Auswirkungen u nd ich war davon überzeugt, dass diese Wahnvorstellungen letztlich bis zum Tod führen könnten .
… and the dreams Jacky dares to dream really do come true.
Meine Mutter hatte es in dem Traum gesungen. Meine Träume wurden wahr. Musste ich zuvor noch einschlafen, um diesen Horror zu erleben, hatte der Alptraum nun den Weg in mein waches Ich gefunden. Es gab nur eine Möglichkeit, diesen Wahnsinn zu beenden.
Ich musste Patricia finden.
Sie war der Auslöser. Würde ich das Mädchen retten, würden auch diese Horrortrips verschwinden.
Unter stechenden Schmerzen im Oberkörper und einem schneidenden Ziehen im rechten O berschenkel drückte ich mich vom Asphalt hoch und lehnte mich gegen die Hausmauer. Ich musste auf die vorbeigehenden Menschen wie ein Besoffener wir ken. Wie ein Penner, der auf dem Weg in seinen Wohnkarton eine kurze Pause eingelegt hatte. Aber letztlich war mir das gleichgü ltig. Sollten die Leute gaffen und über mich denken, was sie wollt en. Ich musste Patricia finden.
Noch während ich mir überlegte, wie ich Sandras Praxis finden konnte, fiel mein Blick auf den Wagen, der keine zwanzig Meter von mir entfernt parkte. Es war mein Chevrolet. Ich drehte mich um, blickte auf die Hauswand, auf das Messingschild, direkt über mir. Sandra Berington, Physiotherapy . 3rd Floor.
Zufall. Was sonst? Sandras Praxis musste in unmittelbarer Nähe zum Krankenhaus liegen. V ielleicht hatte ich während der Fahrt im Krankenwagen den Weg zum Spital unbewusst in meinem Gedächtnis gespeichert? Vermutlich. Wie Hunde, die über weite Strecken wieder ihr Zuhause fanden.
Oder hatte das Auftauchen der Schlangen den alleinigen Zweck, mich hierher zu treiben? Ich scheute mich, diesen Gedanken tat sächlich weiterzuverfolgen. Dennoch konnte ich ihn nicht gänzlich als Unsinn abtun. Sie hatten mich wie Rotwild in die Enge getrieben. Und diese Enge war hier. Vor Sandras Praxis. Aber warum sollten sie das tun?
Das Foyer war dunkel. Die Straßenbeleuchtung spiegelte sich in den Fenstern und erlaubte kaum einen Einblick in das Innere des Gebäudes. Dennoch war ich überzeugt, dass das Haus bewacht wurde. Ich suchte nach ein er Klingel oder etwas, womit ich mich bemerkbar machen konnte.
Letztlich trommelte ich mit den Fäusten gegen die Glastür. »Hallo?«, brüllte ich. »Es handelt sich um einen Notfall!« Letzteres rief ich aus zwei Gründen. Erstens sollte der Wachdienst die Tür öffnen und nicht die Polizei rufen. Und zweitens waren immer noch verhältnismäßig viele Menschen auf der Straße. Auch sie sollten nicht die Polizei rufen, weil ein offensichtlich besoffener Penner gegen die Eingangstür eines Elite-Therapie-Zentrums trommelte. »Ein Notfall!«, wiederholte ich, begleitet von kräftigen Schlägen gegen das Glas.
F ahler Lichtschein wurde hinter der Empfangsloge sichtbar. Eine Tür wurde geöffnet. Kurz darauf flammte die Beleuchtung im Foyer auf. Zwei Männer kamen auf den Eingang zu. Sie deuteten mir, die Jacke auf den Boden zu legen und die Hände hoch zu halten. Ich kam der Aufforderung nach.
Das Schloss klackte zwei Mal. Dann schwenkte ein blonder Hüne die Glastür nach innen. Der andere – ich musste an einen mexikanischen Zuchtbullen denken – baute sich vor mir auf und musterte mich. Die rechte Hand lag auf dem Griff des Schlagstocks, wobei ich bezweifelte, dass er den jemals benötigen würde. Ein Schlag mit seiner Faust wäre fatal genug.
Der Zuchtbulle hob die Augenbrauen. »Was für ein Notfall?«, presste er durch die Lippen. Der Hüne versuchte krampfhaft, ein Gähnen zu unterdrücken.
»Ich muss zu Sandra.« Ich nannte sie
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