Das Tagebuch der Patricia White (German Edition)

schüttelte er den Kopf. »Es gibt zwei Dinge auf dieser Welt, die man als gegeben betrachten kann. Erstens: Frauen haben keine Schwänze.«
    Ich spürte, wie ein Lächeln sich auf meinen Lippen breitmachte. »Akzeptiert«, stimmte ich ihm zu.
    »Und zweitens: Jack Reynolds geht auf gar keinen Fall ohne sein Handy aus dem Haus. Es sei denn, er wird hinaus getragen. «
    Dave starrte mich an, als erwartete er von mir eine Erklärung für den Umstand, dass das Telefon auf dem Tisch lag. Ich konnte ihm aber keine liefern. Abgesehen davon spielte das für mich auch keine Rolle. Mir war es gleichgültig, ob dieses Telefon hier lag oder sonst wo. Ich hob meine Schultern, doch Dave ließ sich dadurch nicht davon abbringen. Für ihn schien es sich um eine Art paranormales Phänomen zu handeln.
    »Vielleicht hatte ich es eilig«, bot ich ihm an.
    »Abgelehnt.«
    »Keine Ahnung. Wird wohl schon mal vor ge kommen sein, dass ich ohne Handy losgezogen bin.«
    »Nein, ist es nicht.« Dave sprach den Satz mit russischer Endgültigkeit.
    Vielleicht hatte ich gar nicht vor, jemals wieder zurückzukehren?
    Weil ich mich umbringen wollte?
    In einem Motel, wo mich niemand kennt und selbst mein bester Freund mich nicht zufällig wiederbeleben kann?
    Dave hob die Augenbrauen, als hätte er meine Gedanken gelesen. Ich fühlte mich ertappt und senkte den Blick.
    »Jack?«
    Dave schien zu spüren, dass ich ihm etwas verschwieg. Irgendeine Verbindung bestand zwischen ihm und mir. Eine Art Telepathie, die es mir unmöglich machte, meine Gedanken vor ihm zu verbergen. Wahrscheinlich war das der Grund, warum er von sich behaupten konnte, jede Lüge von mir als solche entlarven zu können.
    »Hör zu, Dave … «
    »Ich höre?«
    Es fiel mir schwer, es ihm zu erzählen. Wie sagt man seinem besten Freund, dass man vorgehabt hatte, wie eine feige Sau zu verschwinden? Sich vor der Verantwortung zu drücken und nicht zu einem Fehler zu stehen? Wie konnte ich ihm sagen, dass ich ihn im Stich lassen wollte?
    Ich konnte es nicht.
    Selbst dazu war ich zu feige.
    »Was ist los, Jack?«
    »Ich weiß es nicht . Ich habe das Gefühl, dass das alles nicht echt ist. Das mein Leben nie stattgefunden hat. Selbst die Dinge, die ich die letzten Stunden erlebt habe, stellen sich jetzt teilweise als Wahnvorstellung heraus. Es ist, als wäre ich in den Körper dieses Jack Reynolds geschlüpft und darf nun das ausbaden, was dieser Idiot in seinem Leben verbockt hat.«
    Dave nickte. Dann schüttelte er den Kopf. »Das wird schon wieder. Du wirst dich sicher wieder an alles erinnern. Vielleicht solltest du zu einem Psychiater gehen? Diese Kerle kennen sich doch mit solchen Dingen aus.«
    »Und wenn ich mich nicht erinnern will ? Ich meine, es muss doch einen Grund geben, dass ich mein Leben vergessen habe.«
    »Welchen?«
    »Patricia Whites Tod?«
    »Glaub ich nicht.« Wieder hatte seine Stimme diesen endgültigen Tonfall, der jeden Widerspruch ausschloss. »Du hast dir das nicht gefallen lassen«, sprach er weiter. »Und hast Ermittlungen angestellt.«
    »Ermittlungen?« Bereits beim Aussprechen des Wortes mutmaßte ich, dass ich bei diesen Ermittlungen womöglich den Beweis für meine Schuld gefunden hätte, was dann diese Kurzschlussreaktion auslöste. Ich kam jedoch nicht dazu, Dave diese Schlussfolgerung mitzuteilen.
    »Du hast etwas herausgefunden«, sagte er. »Bei der Brandbehörde. Wolltest es mir erzählen. Du klangst aufgeregt.«
    »Was habe ich herausgefunden?« Mein Puls beschleunigte.
    »Du hast es mir am Telefon nicht gesagt. Wolltest noch etwas überprüfen. Als ich dann zu dir gekommen bin, warst du nicht da. Hast auch auf meine Anrufe nicht reagiert.« Er nickte zum Handy. »Irgendetwas muss passiert sein, wenn du ohne Handy aus dem Haus gehst. Kannst du dich wirklich an nichts erinnern? An überhaupt nichts ?«
    Ich schüttelte den Kopf und erzählte ihm, dass meine Erinnerung erst ab dem Erwachen in diesem Motel begann. Dass ich das Tagebuch an Sandra geschickt hatte und das Motiv dafür irgendwo in der Dunkelheit meines Gehirns verborgen lag.
    Ich erzählte ihm auch von den Visionen, in denen ich den Tod von Patricia sah. Von den Tagebucheinträgen, von Eddie und meinen Befürchtungen, dass er ihr etwas antun könnte.
    »Patricia White als Vision«, sagte er. »Klingt ziemlich spooky. Muss ein Scheißtraum gewesen sein.«
    »Ich bin mir nicht sicher, ob es ein Traum war. Dieses Bild, in dem sie um ihr Leben brüllte, während sie verbrannte. Am