Das Tagebuch der Patricia White (German Edition)
hatte angeboten mir zu helfen, falls ich mit den Schikanen der neumodischen Fernkommunikation zu kämpfen hatte. Doch nachdem ich das Handy angesteckt und eingeschaltet hatte, dürfte ein Automatismus in mir angegangen sein, der mich zum Abrufen der Sprachbox und zum Anzeigen der Mailbox leitete. Dave hatte vollkommen Recht: Ich musste mit diesem Telefon eine Einheit gebildet haben.
Ich setzte mich auf die Matratze und startete die Mailbox. Darin befanden sich siebzehn Mitteilungen. Alle mit dem gleichen Inhalt. Sie hatten einen Anruf in Abwesenheit. Darunter wurde eine Telefonnummer angezeigt. Ich merkte sie mir nicht, glaubte aber, dass es drei unterschiedliche Nummern waren.
Zum Abhören der Sprachbox legte ich mich nieder und spürte, wie wohl ich mich auf dieser Matratze und dem Kissen fühlte. Sofort machte sich eine Schwere auf meinem Körper breit und es fiel mir nicht leicht, das Handy an mein Ohr zu halten.
Eine monotone Frauenstimme teilte mir mit, dass ich elf Nachrichten auf meiner Sp rachbox hätte. Die erste am 12. August 4:43 nachts – in jener Nacht also, in der das Feuer im Haus der Whites stattfand. Ich hörte Rauschen. Dann ein Schluchzen. »Jack?« Sandra. Sie weinte. »Warum bist du einfach gegangen?« Wieder Rauschen. In dieser Nacht hatte sie mich noch zwei Mal angerufen. Auf der Sprachbox befand sich aber nur Rauschen.
Die Frauenstimme teilte mir mit, dass die nächste Mitteilung von 6:35 Uhr abends stammte. Wieder von Sandra. »Jack, es tut mir leid. Ruf mich unbedingt an!« Immer noch – oder schon wieder – weinte sie. Kurz bevor sie aufgelegt hatte hauchte sie »Ich liebe dich doch« in das Telefon.
Sandra hatte mir noch drei Mal auf die Sprachbox geweint, wiederum mit der Bitte, mich bei ihr zu melden. Der letzte Anruf stammte vom 14. August 10:45 abends. Also in jener Nacht, als ich zu ihr in die Praxis gekommen war.
Dave hatte sich drei Mal auf der Sprachbox verewigt . Das erste Mal am 12. August, 3:10 nachmittags. Er beschwerte sich, dass ich ihn versetzt hätte. Er stünde vo r meinem Appartement und wunder e sich, dass ich nicht da war. Beim zweiten Anruf hörte ich Sorge in seiner Stimme, auch wenn er sie hinter einer zynischen Bemerkung versteckte. »Hast du dir beide Arme gebrochen, oder warum meldest du dich nicht?« Der Dritte war kurz und bündig. »Was ist los? Verdammt, Jack! Melde dich!« Er stammte vom 14. August, 5:32 abends.
Sandras und Dave hatten demnach tatsächlich versucht, mich zu erreichen. Vor allem Sandras Anrufe verursachten ein Drücken in der Magengegend. So musste sie sich angehört haben, als sie Dave anrief, um ihm mitzuteilen, dass ich sie geschlagen hatte. Ich spürte, wie meine Augen nass wurden, verdrängte aber den Gedanken und erinnerte mich an Daves Worte. Nein, Jack. Das könntest du nicht. Ich hoffte inständig, dass er Recht hatte .
Ein Anruf verursachte allerdings einen gewaltigen Adrenalinschub. Er bestätigte Daves Äußerung, ich hätte bei der Brandbehörde nachgeforscht. Hearing hatte sich am 14. August, also gestern, um 12:34 mittags gemeldet. Der Beamte der Brandbehörde.
»Mister Reynolds, Robert Hearing von der FDNY Brandermittlung« , sagte er. »Ich wollte Ihnen nur mitteilen, dass ich die Ergebnisse jetzt vor mir liegen habe. Und … « Er machte eine kurze Pause. »Sie hatten Recht. Melden Sie sich bitte bei mir.«
Womit hatte ich Recht?
Dave hatte mir erzählt, dass ich etwas herausgefunden hatte. Ich wollte es ihm mitteilen, war aber nicht zum vereinbarten Zeitpunkt zu Hause gewesen. Anhand der Telefonate – und Sandras und Daves Aussagen – ließen sich die Geschehnisse der letzten Tage (zumindest teilweise) rekonstruieren.
Am 12. August kurz nach Mitternacht fand der Brand im Haus der Whites statt. Nach dem Brand war ich bei Sandra. Ich hatte nicht viel erzählt, verhielt mich sonderbar und war einfach wieder gefahren. Offenbar hatte es einen Streit gegeben. Nur so war es erklärbar, dass Sandra am Telefon weinte und ich ihre Anrufe nicht entgegennahm, noch nicht mal die Sprachbox abgehört hatte. Morgens kam Hearing in die Brandwache und informierte den Captain, dass die Leiche von Patricia gefunden worden war. Daraufhin wurde ich vom Dienst suspendiert. Sandra hatte erzählt, ich hätte sie angerufen, um ihr zu sagen, dass ich mir das nicht gefallen lassen würde. Danach war ich bei Hearing und hatte etwas herausgefunden, das ich Dave mitteilen wollte. Wir verabredeten uns in meinem Appartement so gegen 3:00
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