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Das Tagebuch der Patricia White (German Edition)

Das Tagebuch der Patricia White (German Edition)

Titel: Das Tagebuch der Patricia White (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gian Carlo Ronelli
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mein Gehirn sich nicht erinnern kann, wo her kommen dann diese Horrorszenen?«
    »Wie ich anfangs sagte: Es kommt darauf an, ob die Ursache organisch oder psychisch ist. Wenn die Bereiche des Gehirns, in denen die Erinnerungen gespeichert sind, zerstört wurden, dann gibt es keine Möglichkeit, diese Erinnerungen jemals wied er zurückzuholen. In Ihrem Fall ist aber nicht der Speicher defekt – wenn ich das so sagen darf – , sondern nur der bewusste Zugriff darauf. Es wäre also absolut denkbar, dass das Gehirn Informationen a us ihrer Vergangenheit liefert, wenn das defekte Bewusstsein nicht aktiv ist. Ein Traum zum Beispiel ist so ein Fall.«
    »Es ist also nicht nur absoluter Schwachsinn, den ich träume?«
    Die Doktorin grinste. »Nein. Kein Schwachsinn. Das Gehirn verarbeitet gespeicherte Informationen in mehr oder weniger sinnvollen Bildern. Letztlich basieren sie aber doch auf Erinnerungen. Oft ist es schwierig, ohne die entsprechende bewusste Erinnerung, diese Bilder richtig zu interpretieren.«
    » Da haben sie vollkommen Recht, sehr schwierig. Mein Vater kommt in meinen Träumen vor. Und ich bin überzeugt, dass er der Auslöser dieses mysteriösen , traumatischen Vorfalls war, den ich vorhin meinte. Daher bin ich hier. Ich glaube, mein Vater lebt. Und das ist nicht gut. Gar nicht gut.«
    »Ich kann Ihnen nur das sagen, was ich Ihnen eben schon gesagt habe: Wenn ihr Vater kein Houdini war, dann ist er jämmerlich zu Grunde gegangen. Aber ich kann mir nicht vorstellen , dass er lebt.«
    »Aber Sie sagten auch, dass er dazu imstande gewesen wäre, eine Möglichkeit zu finden, wenn es denn eine gegeben hätte.«
    »Ja. Aber ich glaube … nein … ich hoffe, dass er keine gefunden hat.«
    Ich nickte und stand auf. Wir verabschiedeten uns händeschüttelnd und ich versprach ihr, mich zu melden. Wegen der Therapie. Und ich nahm mir vor, ihr Angebot auch tatsächlich in Betracht zu ziehen.
    Ich war schon auf dem Gang, als Doktor Overlook mir nachrief und mit einem »Ach ja« mitteilte, dass sie mich noch an etwas erinnern wollte.
    »Ich habe Ihnen bei I hrem letzten Besuch etwas mitgegeb en. Eine Mappe mit Zeichnungen I hres Vaters. Ich denke, damit haben S ie eine mögliche Erklärung.«
    »Erklärung? Wofür?«
    »Für Ihre Horrorträume«, sagte sie und winkte mir zu. Mit frech blitzenden , schwarzgrünen Augen.

24
     
    Dave erwischte mich am Handy wenige Meilen vor New York City. Er fragte nicht lange, wo ich gewesen wäre, oder warum ich nicht auf ihn gewartet hätte, sondern wollte nur wissen, was ich über meinen Vater herausgefunden hatte.
    Ich erzählte ihm von meinem Gespräch mit Doktor Overlook und dass ich auf dem Weg in meine Wohnung wäre, um nach dieser Mappe mit den Zeichnungen zu suchen. Er würde dort auf mich warten, meinte er und lehnte bereits an der Eingangstür . Er wirkte müde. Ich hatte dafür vollstes Verständnis: Er hatte nur zwei Stunden bei mir geschlafen und musste den ganzen Tag in der Feuerwache verbringen. Ich sagte ihm daher, dass er beruhigt nach Hause fahren könnte und ich nur noch nach dieser Mappe suchen und mich danach ebenfalls in eine horizontale Stellung begeben würde. Dave sah mich entsetzt an.
    »Spinnst du? Wir finden das Arschloch! Und wenn es dein Vater war, dann wird das die Nacht der Nächte! Kannst dir abschminken, dass du das alleine durchziehen darfst. Schlafen können wir, wenn dieser Arsch in der Hölle schmort.«
    Ich nickte D ave nur zu. Es war wieder dieses Verstä ndnis zwischen Freunden, das keiner weiteren Worte bedurfte. »Und du meinst, dass dein Vater noch am Leben ist?« Dave hatte sich auf die Couch gesetzt. Zuerst hatte er sich hingelegt, dann aber die Position gewechselt , aus Angst, er könnte einschlafen. Ich kniete vor dem Schrank und räumte ihn leer, bildete aus den Papieren kleine Stapel auf dem Wohnzimmerboden, um so einen besseren Überblick über das Chaos zu bekommen.
    »Ja«, sagte ich und merkte die Verachtung, die ich in dieses eine Wort legte. »Dieses Arschloch lebt und ermordet kleine Mädchen. Und diese Morde will er mir anhängen.«
    »Aber warum sollte er das tun? Ich meine, dir diese Morde anhängen?«
    »Keine Ahnung. Rache? Vielleicht war ich es, der ihn wegen was auch immer in die Nervenheilanstalt einweisen ließ. Vielleicht habe ich ihm gesagt, welch perverses Schwein er ist. Keine Ahnung. Rache könnte ich mir als Motiv für einen Irren gut vorstellen.«
    Ich sortierte Briefe und Rechnungen, holte stapelweise

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