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Das Tagebuch der Patricia White (German Edition)

Das Tagebuch der Patricia White (German Edition)

Titel: Das Tagebuch der Patricia White (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gian Carlo Ronelli
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Windes hätte mir einen Streich gespielt. Dann hörte ich es wieder. Als würde der Wind die Stimmen aus dem Garten hinter dem Haus nach vo rne tragen. Lautes Lachen. D ann ein Satz, geschrien von mehreren Kindern: »Lass uns raus und spiel mit uns, Jacky!«
    Wieder starrte ich zu Dave. »Und jetzt? Hast du‘s jetzt gehört?«
    »Verdammt! Was denn?«
    »Die Kinder!«, rief ich. »Ich höre Kinderstimmen! Ganz deutlich!«
    Dave schüttelte den Kopf. »Ich höre nichts. Das wird der Wind sein.«
    Ich horchte. Nun hörte ich ebenfalls nichts mehr. Nichts, außer diesem unheimlichen Pfeifen an den Hausecken und dem Niederprasseln des Regens auf den Steinplatten. Ich nickte und ging weiter, stieg über die Stufen auf die Veranda. Wasser tropfte durch die Dachschindeln auf den Holzboden, bildete kleine Bäche, die unter dem Zaun in winzigen Wasserfällen in die Wiese flossen.
    Ich drehte den Türknauf. Abgeschlossen.
    Dave hatte noch in meinem Appartement vermutet, dass ich den Haustorschlüssel besitzen musste. Wir hatten meinen Schlüsselbund betrachtet und festgestellt, dass sich drei Schlüssel darauf befanden, die ich nicht zuordnen konnte. Als ich Schlüssel Nummer Zwei in das Schloss schob und drehte, sprang die Tür auf. Dave nickte und ich musste an diesen Traum denken, in dem die Mädchen hinter dieser schwarzen Tür nach mir schrien und ich am Ende bemerkt hatte, dass ich den Schlüssel zu dieser Tür in meiner Hand hielt. War diese dunkelgraue, verwitterte Holztür die schwarze Tür aus dem Traum?
    Ich drückte gegen das Türblatt. Es schwenkte in den Vorraum. Abgestandene Luft drang nach draußen. Ich meinte, Verwesungsgeruch wahrzunehmen. Nicht intensiv, aber doch so, dass ich ihn klar identifizieren konnte.
    »Riechst du das?«, fragte ich Dave, der sich hinter mich gestellt hatte.
    »Tod«, sagte er. »Irgendein Tier. Eine Maus vielleicht oder eine Ratte. Nichts Großes, das würde mehr stinken.«
    »Oder etwas Großes, das irgendwo eingesperrt worden ist?«
    Dave starrte mich an. »Könnte sein.«
    Ich betrat das Haus. Dave folgte mir und schloss die Tür hinter sich. Der Strahl einer Stablampe schoss durch das Vorhaus. Er ließ den Lichtkegel durch den aufgewirbelten Staub schweifen, fasste zu einem Lichtschalter und drückte ihn. Ein leises Knacken. Der Raum blieb dunkel.
    »Ein Grund mehr, morgen am Vormittag wieder zu kommen«, sagte er.
    »Da kann es schon zu spät sein«, antwortete ich und versuchte dieses Gefühl einzuordnen, das sich in mir breit machte. Ich kämpfte dagegen an, verleugnete es und schrieb es dieser verhassten S timme zu, die mir immer wieder Hallo Jack, schön dich hier zu sehen zuflüsterte. Doch letztlich wusste ich , dass dieses Gefühl echt war u nd dass es genau eines bedeutete: Ich war zurückgekehrt. In das Haus, in dem ich aufgewachsen war.
    Ich war ähnlich verwirrt wie zu jenem Zeitpunkt, als Dave mir mitgeteilt hatte, dass mein Vater Neurochirurg war. Es schien, als hätte der Traum, in dem ich in einem dreckigen Loch von Wohnung hauste, meine tatsächliche Erinnerung ersetzt. Nun aber, als ich mit der Realität konfrontiert wurde, reagierte ich mit Verwirrung. Jetzt war ich überzeugt, dass ich hier aufgewachsen war. Ich hatte im Garten gespielt, hatte Freunde, mit denen ich auf Bäume geklettert war, ein eigenes Zimmer, ein Bett und ein Fenster mit Blick auf die Wiese. Ich hatte eine schöne Kindheit. Oh ja, Jack. Die hattest du. Was für ein schönes Leben hat dir dein Eddy-Daddy geboten.
    Und doch spürte ich das Böse in dem Haus. Als wäre es von einer Krankheit befallen. Ein unsichtbares Virus, das jeden infizierte , der durch die Tür trat und Stück für Stück seines Körpers zersetzte. Bis nur noch ein Haufen ve rwesendes Fleisch übrig war, dessen Gestank dem nächsten Besucher in die Nase stieg.
    Man sollte es niederbrennen. Die Flammen waren die einzige Medizin, die diese Kra nkheit besiegen konnte. Falls ich hier noch einmal zurückkehren würde, dann nur, um dieses Haus dem Erdboden gleich zu machen. Mit allem, was sich darin befand.
    Wirklich mit allem, Jack?
    Ich nickte Dave zu, der immer noch darauf zu warten schien, dass ich ihm Recht gab und wir unsere Durchsuchung auf den nächsten Morgen verschieben würden. Widerwillig leuchtete er durch die Dielentür. Ich betrat den ersten Raum. Den Wohnraum.
    Die Möbel waren mit weißen Leinentüchern überworfen. Die Wölbungen und Falten schlugen im Schein der Stablampe dunkle Schatten, die den Eindruck

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