Das Tal der Angst
drücken? Ob’s recht oder unrecht ist – das zu bestimmen ist Ihre Sache.«
»Dann machst du’s also?«
»Ja, natürlich.«
»Wann?«
»Tja, Sie geben mir am besten ein oder zwei Nächte Zeit, damit ich mir das Haus ansehen und einen Plan ausarbeiten kann. Dann …«
»Sehr gut«, sagte McGinty; er schüttelte ihm die Hand. »Ich überlasse alles dir. Das wird ein großer Tag, wenn du uns die Nachricht bringst. Es ist der entscheidende Schlag, der sie alle in die Knie zwingen wird.«
McMurdo dachte lange und gründlich über den Auftrag nach, der ihm so plötzlich in die Hände gelegt worden war. Das abgeschiedene Haus, in dem Chester Wilcox wohnte, lag etwa fünf Meilen entfernt in einem angrenzenden Tal. Noch in derselben Nacht brach er ganz alleine auf, um sich auf die Unternehmung vorzubereiten. Es war schon hell, als er von seiner Erkundung zurückkehrte. Am nächsten Tag besprach er sich mit seinen beiden Untergebenen, Manders und Reilly, unbekümmerten Burschen, die so übermütig waren, als ginge es auf eine Hirschjagd. Zwei Nächte später trafen sie sich außerhalb der Stadt; alle drei waren bewaffnet, und einer von ihnen trug einen Sack voll Sprengstoff, wie man ihn in den Gruben benutzt. Es war bereits zwei Uhr morgens, als sie das einsame Haus erreichten. Die Nacht war windig; zerrissene Wolken trieben rasch über das Gesicht eines Dreiviertelmondes. Man hatte sie ermahnt, sich vor den Wachhunden in acht zu nehmen, daher rückten sie behutsam vor, den entsicherten Revolver in der Hand. Aber außer dem Heulen des Windes ertönte kein Geräusch, und nichts bewegte sich außer den schwankenden Zweigen über ihnen. McMurdo lauschte an der Tür des einsamen Hauses, aber drinnen war alles still. Dann lehnte er den Pulversack daran, schlitzte mit dem Messer ein Loch hinein und befestigte die Zündschnur. Als sie richtig brannte, nahmen er und seine beiden Gefährten Reißaus und befanden sich bereits in einiger Entfernung sicher und geborgen in einem schützenden Graben, als das ohrenbetäubende Krachen der Explosion und das tiefe, dunkle Rumpeln des zusammenstürzenden Gebäudes ihnen anzeigten, daß ihre Arbeit getan war. Noch nie in den blutbefleckten Annalen des Bundes war ein Job sauberer erledigt worden. Aber ach, diese so wohl organisierte und kühn geplante Tat sollte ganz umsonst gewesen sein! Gewarnt vom Schicksal der zahlreichen Opfer und im Wissen, daß man seine Vernichtung vorgesehen hatte, waren Chester Wilcox und seine Familie erst am Tag zuvor in ein sichereres und weniger bekanntes Quartier umgezogen, wo ein Polizeiposten sie bewachen sollte. Das Schießpulver hatte somit ein leeres Haus zerrissen, und der grimmige alte Colour-Sergeant aus dem Bürgerkrieg brachte den Bergleuten von Iron Dyke weiterhin Disziplin bei.
»Überlaßt ihn mir«, sagte McMurdo. »Der Mann gehört mir; ich krieg ihn bestimmt noch, und wenn ich ein Jahr darauf warten muß.«
Die Loge sprach einstimmig ihren Dank und ihr Vertrauen aus, und somit fand die Sache vorerst ein Ende. Als ein paar Wochen später die Zeitungen berichteten, daß auf Wilcox aus dem Hinterhalt geschossen worden sei, war es ein offenes Geheimnis, daß McMurdo noch immer an seinem unerledigten Auftrag arbeitete.
Dies also waren die Methoden des Freimaurerbundes, und dies also waren die Taten der Scowrers, dank denen sie ihr Regiment der Angst ausdehnten über den großen und reichen Bezirk, in dem sie so lange Zeit ihr schreckliches Wesen trieben. Warum sollten diese Seiten mit weiteren Verbrechen besudelt werden? Habe ich nicht genug gesagt, um die Männer und ihre Methoden sichtbar zu machen? Diese Taten sind historisch belegt, und es gibt Dokumente, wo man ihre Details nachlesen mag. Dort kann man erfahren, wie die Polizisten Hunt und Evans erschossen wurden, weil sie es gewagt hatten, zwei Mitglieder des Bundes festzunehmen – eine in der Vermissa-Loge geplante doppelte Greueltat, kaltblütig verübt an zwei hilflosen und unbewaffneten Männern. Dort mag man auch nachlesen, wie Mrs. Larbey erschossen wurde, während sie gerade ihren Ehemann pflegte, den man auf Befehl von Boss McGinty fast totgeschlagen hatte. Der ältere Jenkins wurde getötet, kurz danach auch sein Bruder; James Murdoch wurde verstümmelt, die Familie Staphouse in die Luft gesprengt, die Stendals ermordet – dies alles folgte dicht aufeinander im selben schrecklichen Winter. Dunkel lag der Schatten auf dem Tal der Angst. Der Frühling war gekommen mit
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