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Das Tal der Angst

Das Tal der Angst

Titel: Das Tal der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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Notwendigkeit, ihr zu begegnen, teilte. Er packte Morris an den Schultern und schüttelte ihn mit ernster Miene.
    »Hören Sie, Mann«, rief er, und vor Erregung kreischte er fast, »Rumsitzen und Jammern wie ein altes Weib bei der Totenwache bringt überhaupt nichts. Jetzt müssen Tatsachen her. Wer ist der Bursche? Wo steckt er? Wie haben Sie von ihm erfahren? Warum sind Sie damit zu mir gekommen?«
    »Ich bin zu Ihnen gekommen, weil Sie der einzige sind, der mir einen Rat geben kann. Ich habe Ihnen doch erzählt, daß ich im Osten einen Laden hatte, bevor ich hierher gezogen bin. Ich habe dort gute Freunde zurückgelassen, und einer von ihnen arbeitet beim Telegraphenamt. Hier ist ein Brief, den ich gestern von ihm erhalten habe. Es geht um den Abschnitt hier oben auf der Seite. Sie können es selbst lesen.«
    Und das las McMurdo:
    »Was machen denn die Scowrers bei euch? Man liest ja darüber eine ganze Menge in den Zeitungen. Unter uns gesagt: Ich rechne damit, bald Neues von dir zu hören. Fünf große Unternehmen und die beiden Eisenbahngesellschaften haben sich inzwischen dahinter geklemmt. Sie meinen es todernst, und du kannst darauf wetten, daß sie es auch schaffen. Sie haben sich voll darauf eingelassen. In ihrem Auftrag hat Pinkerton die Sache angepackt, und sein bester Mann, Birdy Edwards, ist bereits im Einsatz. Der Sache soll ganz schnell ein Ende gemacht werden.«
    »Jetzt lesen Sie das Postskriptum.«
    »Was ich dir mitteile, habe ich natürlich im Amt erfahren; mehr war nicht herauszubekommen. Jeden Tag gehen einem meterweise seltsam verschlüsselte Nachrichten durch die Hände, und man kann nichts damit anfangen.«
    McMurdo saß eine Zeitlang schweigend da, den Brief in den unruhigen Händen. Die Nebel hatten sich für einen Moment gelüftet, und vor ihm lag der Abgrund.
    »Weiß sonst noch jemand davon?« fragte er.
    »Ich habe es sonst niemandem erzählt.«
    »Aber dieser Mann – Ihr Freund –, hat er noch jemand, dem er voraussichtlich schreiben würde?«
    »Naja, ich glaube schon, daß er noch ein paar kennt.«
    »Von der Loge?«
    »Das ist durchaus wahrscheinlich.«
    »Ich frage deshalb, weil er dann vermutlich eine Beschreibung dieses Burschen, Birdy Edwards, mitgeliefert hat. So könnten wir ihm auf die Schliche kommen.«
    »Naja, möglich ist es schon. Aber ich glaube eigentlich nicht, daß er ihn kennt. Er berichtet mir immer nur die Neuigkeiten, die ihn auf dem Amtsweg erreicht haben. Woher sollte er diesen Pinkerton-Mann kennen?«
    McMurdo fuhr plötzlich auf.
    »Mensch!« rief er, »jetzt weiß ich, wer es ist. Was war ich für ein Narr, daß ich darauf nicht gekommen bin! Herrgott, aber wir haben Glück! Wir werden ihn ausschalten, bevor er Unheil anrichten kann. Hören Sie, Morris; wollen Sie diese Sache mir überlassen?«
    »Natürlich, wenn Sie sie mir nur vom Hals schaffen!«
    »Das geht klar. Sie können sich völlig raushalten und mich machen lassen. Nicht mal Ihr Name braucht erwähnt zu werden. Ich nehme alles auf mich – als hätte ich den Brief erhalten. Sind Sie damit einverstanden?«
    »Genau darum wollte ich Sie bitten.«
    »Dann lassen Sie es dabei und halten Sie weiterhin den Mund. Ich geh jetzt zur Loge; der alte Pinkerton wird sich noch leid tun, dafür sorgen wir.«
    »Ihr werdet den Mann doch nicht umbringen?«
    »Je weniger Sie wissen, Freund Morris, desto ruhiger ist Ihr Gewissen und desto besser können Sie schlafen. Stellen Sie keine Fragen und lassen Sie den Dingen ihren Lauf. Ich hab jetzt die Sache im Griff!«
    Morris schüttelte traurig den Kopf, als er ging.
    »Ich habe das Gefühl, daß sein Blut an meinen Händen klebt«, seufzte er.
    »Notwehr ist noch lange kein Mord«, sagte McMurdo grimmig lächelnd. »Er oder wir! Der Mann würde vermutlich uns alle vernichten, wenn wir ihn lange genug im Tal ließen. Wahrhaftig, Bruder Morris, wir müssen Sie noch zum Stuhlmeister wählen; Sie haben nämlich mit Sicherheit die Loge gerettet.«
    Doch aus seinen Handlungen ging klar hervor, daß er sich über diese ungewohnte Störung ernstere Gedanken machte, als seine Worte erkennen ließen. Möglicherweise lag es an seinem schlechten Gewissen; vielleicht auch am guten Ruf des Pinkerton-Unternehmens; vielleicht an der Gewißheit, daß große reiche Gesellschaften es sich zur Aufgabe gemacht hatten, mit den Scowrers aufzuräumen; aber ganz gleich, welche Gründe er haben mochte: Seine Handlungen waren die eines Mannes, der sich auf das Schlimmste gefaßt macht.

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