Das Tar-Aiym Krang
aber in einer Sprache, die der polyglotte Flinx nicht zu enträtseln vermochte.
Ja, angesichts ihres dringenden Wunsches, einen Führer zu haben, hatten sie bis zur Stunde bemerkenswert geringes Interesse an ihrer Umgebung gezeigt. Flinx und Pip schienen sie viel stärker zu interessieren als die Stadt selbst, die er ihnen zeigte. Und als schließlich der Nachmittag gekommen war, stellte er verblüfft fest, wieviel sie doch durch die unschuldigsten und indirektesten Fragen über ihn in Erfahrung gebracht hatten. Einmal, als Truzenzuzex sich vorgebeugt hatte, um sich den Minidrach etwas näher anzusehen, hatte der sich mißtrauisch zurückgezogen und seinen Kopf hinter Flinx Hals versteckt. Das war für sich alleine betrachtet schon seltsam. Gewöhnlich reagierte die Schlange entweder passiv oder aggressiv. Dies war das erste Mal, daß Flinx seinen Begleiter unsicher erlebte. Nach außen hin maß Truzenzuzex dem kleinen Zwischenfall keine besondere Bedeutung bei, versuchte aber von diesem Augenblick an nicht mehr, sich dem Reptil zu nähern.
»Du bist ein außergewöhnlicher Führer und ein angenehmer Begleiter«, sagte der Thranx, »und ich preise mich glücklich, dich bei uns zu haben.«
Sie hatten sich inzwischen ziemlich weit vom Stadtzentrum entfernt. Truzenzuzex wies nach vorne auf die turmartigen Häuser der Reichen, die in ihren gepflegten Gärten vor ihnen lagen. »Jetzt würden wir gerne die gepflegten hängenden Gärten der Vorstädte von Drallar sehen, von denen wir beide soviel gehört haben.«
»Ich fürchte, das geht nicht, mein Herr. Braav ist für meinesgleichen gesperrt, und es gibt Wächter – mit Waffen – die an den Mauern dafür sorgen, daß das gewöhnliche Volk den Rasen nicht betritt.«
»Aber du kennst dich dort doch aus?« drängte Tse-Mallory.
»Nun«, begann Flinx zögernd. Schließlich, was wußte er schon über diese beiden? »Des Nachts war es manchmal notwendig... aber es ist jetzt nicht Nacht, und man würde uns sicher sehen, wenn wir über die Mauern kletterten.«
»Dann werden wir eben durchs Tor gehen. Bring uns hin«, sagte Tse-Mallory entschlossen und schnitt Flinx' Ansatz zum Widerspruch ab. »Dann können wir ja sehen, wie wir an den Wachen vorbeikommen.«
Flinx zuckte die Achseln. Die Hartnäckigkeit des Mannes irritierte ihn. Aber sollten sie doch selbst aus Erfahrung klug werden. In Gedanken fügte er dem bevorstehenden Abendmenü einen teuren Nachtisch hinzu. Er führte sie zum ersten Tor und hielt sich im Hintergrund, als der kräftig gebaute Mann, der in dem kleinen Gebäude saß, ihnen murrend entgegentrat.
Und in diesem Augenblick vollzog sich das ungewöhnlichste Ereignis des Tages. Ehe der ganz offensichtlich übelgelaunte Bursche ein einziges Wort hervorbrachte, fuhr Truzenzuzex mit einer Echthand in die Tasche und hielt dem Mann eine Karte unter die Nase. Die Augen des Mannes weiteten sich, und er setzte zu einer Art militärischem Gruß an. Seine ganze Unfreundlichkeit schien wie Wachs von ihm zu schmelzen. Flinx hatte noch nie erlebt, daß ein Wohnstadtwächter – ein Menschenschlag, dem Unhöflichkeit und Argwohn zur zweiten Natur geworden war
– so hilflos auf jemanden reagierte. Selbst den Bewohnern der Wohnstädte gegenüber waren sie nicht so beflissen. Noch größere Neugierde erfaßte ihn. Er mußte unbedingt herausfinden, mit wem er sich da eingelassen hatte. Aber sie blieben undurchdringlich. Dieses verdammte Bier! Irgendwie hatte er die bestimmte Vorstellung, den Namen Tse-Mallory schon einmal gehört zu haben, aber sicher war er dessen nicht. Und für einen kurzen Blick auf die Karte, die Truzenzuzex dem Wächter so gleichgültig hingehalten hatte, hätte er viel gegeben.
Jetzt stand der Weg für sie offen. Endlich würde er einmal Gelegenheit bekommen, bei Tageslicht einige Dinge zu sehen, die er nur bei Nacht kannte. Und das noch dazu in Muße, ohne dauernd über die Schulter blicken zu müssen.
Schweigend schlenderten sie in den smaragdgrünen parkartigen Anlagen zwischen plätschernden Wasserfällen hindurch und begegneten gelegentlich einem teuer gekleideten Bewohner oder einem schwitzenden Arbeiter, und manchmal scheuchten sie sogar einen Hirsch oder eine Phylope in den Büschen auf.
»Soweit mir bekannt ist«, sagte Tse-Mallory und brach damit das Schweigen, »gehört jeder Turm einer Familie, deren Namen er auch trägt.«
»Das ist richtig«, erwiderte Flinx. »Und du bist mit ihnen vertraut?« »Größtenteils, nicht mit
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