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Das Tarot der Engel: Dritter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Das Tarot der Engel: Dritter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Titel: Das Tarot der Engel: Dritter Band der Tarot-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marisa Brand
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Ausdünstungen des weiblichen Schoßes. Solchen Übeln muss man mit Trockenheit, Hitze und Feuer begegnen.«
    So wie man Hexen ins Feuer stößt, dachte Lunetta voller Ekel. Was für Tölpel!
    Wenn sie nur an die maurischen Ärzte in ihrer Heimat Spanien dachte! Die meisten von ihnen waren längst verbrannt und mit ihnen ein Großteil ihres Wissens, etwa dass Sauberkeit eine Voraussetzung für Gesundheit war, dass Baden keineswegs lebensgefährlich war und dass weder frische Luft noch heißes Wasser Krankheiten verbreiteten.
    Entschlossen legte sie ihren Leinenbeutel beim Bett ab, ging zu den verglasten Fenstern und riss eins nach dem anderen auf.
    »Lasst die Schlagläden zu!«, warnte Sir Henry Sidney flüsternd. »Wenn Ihr sie öffnet, werden Edwards Leibwachen Dudleys Bootskarneval vergessen und sofort aus dem Garten hochstürzen!«
    »Leibwächter!«, stieß Lunetta verächtlich hervor. »Alle Vorrichtungen, die hier getroffen wurden, sind geeignet, den Tod des Königs so schnell wie möglich herbeizuführen.«
    Wie zur Antwort erklang ein Stöhnen hinter den Vorhängen. Rasch war Lunetta beim Bett und schob die Vorhänge zur Seite. Was sie im blakenden Licht einer Wandfackel sah, erschreckte sie, obwohl sie den Anblick von Siechtum und Tod gewohnt war.
    Der fünfzehnjährige König glich jenen Monstren aus gelbem Wachs, die gern in Kuriositätenschauen gezeigt wurden. Seine Arme und Beine sahen schwarz und knochendünn aus, die papierdünne Haut war von Wunden übersät. Süßlicher Verwesungsgeruch entströmte dem offenen Fleisch, weiß schimmerten an einigen Stellen die Knochen durch. Edwards Bauch hingegen war bis zum Bersten angeschwollen. Von seinem rötlichem Haar – einem typischen Tudor-Erbteil – waren wenige Büschel geblieben, die grotesk in die Höhe standen. Wimpern und Brauen waren ausgefallen, das Gesicht glich schon einem Totenschädel mit tief in ihren Höhlen versunkenen Augen.
    Lunetta legte ihre Hand sanft auf die Stirn des jungen Königs.
    »Kühl«, seufzte er rau. »Wunderbar kühl.«
    Lunetta griff nach ihrem Leinenbeutel und bat Sidney um einen Becher Wasser. Der Höfling schenkte aus einer Kanne ein, schnupperte gewohnheitsmäßig daran und trank.
    »Kein Gift«, stellte er fest und goss den Becher wieder voll.
    Lunetta wies ihn an, das Wasser in einem kleinen Dreibein über dem Kaminfeuer zu erhitzen, während sie einige Kräuter in einen Mörser schüttete und zerrieb. Sie arbeiteten rasch und in stummem Einvernehmen, während der junge König sich unter Krämpfen wand. Er war nur halb bei Bewusstsein. Sidney reichte Lunetta den Becher mit abgekochtem Wasser. Sie streute ihre Kräuter hinein, wartete, seihte den Sud schließlich durch ein Leinentuch in einen zweiten Becher und brockte Stücke einer zähen schwarzen Substanz in das Gebräu.
    »Was ist das?«, fragte der misstrauische Sidney.
    »Latwerge mit Schlafmohn und Opium. Es hilft gegen die Schmerzen.«
    »Opium? Man sagt, es erzeugt Wahnsinn, es verwirrt die Sinne.«
    »Dieser Junge ...«
    »Der König!«
    »Er stirbt unter entstetzlichen Qualen. Opium lässt Schmerzen vergessen, und das ist das Gnädigste, was man noch für ihn tun kann.«
    »Könnt Ihr sein Leben denn nicht doch noch retten oder wenigstens verlängern? Die Posse von Guildford Dudleys Vermählung mit Jane Grey muss enttarnt werden. Edward muss sein Testament ändern, sonst droht England ein blutiger Bürgerkrieg, vielleicht sogar Krieg mit Spanien, in jedem Fall aber Dudleys uneingeschränkte Tyrannei! Glaubt mir, ich liebe unseren König wie einen Freund, aber an ihm hängen so viele Leben.«
    Lunetta schob ihren rechten Arm unter die dürren Schultern des Knaben und richtete ihn auf. Stöhnend legte er seinen Kopf zur Seite. Vorsichtig flößte sie ihm kleine Schlucke des Trankes ein. Sie sah, dass ihm das Schlucken Schmerzen bereitete, sie sah aber auch, wie sich sein Gesicht nach einigen Atemzügen entspannte. Wieder fiel sein Kopf gegen ihre Schulter. Sie ließ den Jüngling zurück in die Kissen gleiten, wo er in einen träum- und schmerzlosen Schlaf fiel. Sie betrachtete ihn nachdenklich, dann wandte sie sich zu Sidney um.
    »Ihr kostet wirklich alles vor, was König Edward zu sich nimmt?«
    »Seit er zehn Jahre alt ist, ist dies meine Pflicht«, bestätigte Sidney gekränkt. »Ich bin ihr stets nachgekommen.« Lunetta unterdrückte einen Seufzer. Ob Vorkoster, Hüter des Toilettenstuhls oder Prügelknabe – echte Höflinge liebten die Erniedrigung,

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