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Das Tartarus-Orakel

Titel: Das Tartarus-Orakel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Reilly
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eingerollt wie ein Embryo.
    Im Gegensatz zu den anderen war es nicht verstümmelt. Es war völlig intakt, trug eine schwarze SS-Uniform, und an den Gebeinen haftete sogar noch verwesendes Fleisch.
    Vorsichtig ging West auf das Podest und die Treppe zu – möglicherweise war sie ein einziger großer Trittstein.
    Er musterte das Skelett.
    Sah eine dünne Drahtbrille, die noch auf der Nase saß, sah die rote Armbinde mit dem Hakenkreuz, den lila Amethystring an der rechten Knochenhand, den Ring, den nur die Gründungsmitglieder der Nazi-Partei trugen.
    »Hessler …«, stieß er aus. Es war Hermann Hessler, der Nazi-Archäologe, einer der beiden Leiter der berühmten Hessler-Koenig-Expedition.
    Seltsamerweise war der rechte Arm des Skeletts ausgestreckt, allem Anschein nach zum Fuß der Treppe, als habe Hessler im letzten Moment nach etwas greifen wollen …
    … einem abgewetzten, in Leder gebundenen Notizbuch, das auf der untersten Stufe lag.
    West schnappte sich das Notizbuch, schlug es auf.
    Seitenweise Skizzen, Listen und Zeichnungen sämtlicher antiker Weltwunder, dazwischen Anmerkungen und Notizen auf Deutsch, in Hesslers gestochener Handschrift.
    Plötzlich knackte es in seinem Kopfhörer.
    »Jack! Zoe!« , ertönte Wizards Stimme. »Ihr müsst euch verstecken! Judah kann jeden Moment bei euch sein –«
    West fuhr herum, als eine Kugel, die aus dem Tunnel hinter ihm kam, über seinen Kopf hinwegpfiff und ihn nur um Zentimeter verfehlte.
    »Ihr zwei, da lang!« Er schickte Zoe und Lily zur linken Seite der Tür, während er nach rechts stürmte, neben dem steinernen Rahmen in Stellung ging, einen Blick zurückwarf und dunkle Gestalten sah, die den Tunnel heraufstiegen, rasch näher kamen.
    Höchste Zeit für eine Entscheidung.
    Zu dem Podest, auf dem sich der Spiegel des Leuchtturms und die Säule aus dem Mausoleum befanden, kam er auf keinen Fall, bevor Judahs Truppe eintraf. Folglich konnte Lily keinen Blick auf die eingravierten Gesänge werfen.
    Er suchte die Kammer nach einem Fluchtweg ab.
    Auf der anderen Seite des Podests war ein offener Raum, aber er bot keinen Fluchtweg – dort war nur der breite Granitdamm und dahinter der Tümpel mit dem kochend heißen Schlamm, der herausströmte, sobald jemand auf die Stufen trat und die Falle auslöste.
    In diesem Moment wurde ihm alles klar – der ansteigende Tunnel mit den vertrockneten Schlammklumpen, der von Randsteinen gesäumte Fußweg unten in der Halle und die Randsteine an der Treppe, die von dem großen Torbogen hinabführte. Wenn der Damm aufging, strömte dieser glutflüssige Schlamm um das wie eine Insel aufragende Podest, auf dem sich der Spiegel und die Säule befanden, wälzte sich dann nach unten, durch die Zuflucht, bis zum Wasser, und tötete dabei sämtliche Grabräuber, die zu den beiden Stücken gelangen wollten.
    Jetzt begriff er auch, was es mit den Skeletten der Nazis auf sich hatte, deren Unterkörper weggeschmolzen war – sie waren umgekommen, als sie vor dem Schlamm davonlaufen wollten. Hessler selbst hatte auf dem Podest in der Falle gesessen, als er von dem Zeug umgeben worden war. Danach war er vermutlich elendiglich zugrunde gegangen – er war verhungert, allein, in der Dunkelheit. Sein Kollege Koenig musste irgendwie entkommen sein und sich quer durch die Wüste nach Tobruk durchgeschlagen haben.
    Zu beiden Seiten des Eingangs, zwischen den Alkoven mit den Statuen, die die runde Wand der Kammer säumten, bemerkte er zwei kleinere Öffnungen.
    Es waren niedrige Tunnel, nur etwa einen Meter hoch, die einen halben Meter über dem Boden in die Wand führten.
    West wusste nicht, was sie darstellten, und im Moment war es ihm auch egal.
    »Zoe. Der Tunnel da! Schaff Lily raus!«
    Zoe scheuchte Lily in den niedrigen Tunnel auf ihrer Seite, während West zum rechten stürmte und hineinspähte.
    Der niedrige Tunnel war schnurgerade und führte schräg abwärts.
    »Keine andere Möglichkeit«, sagte er laut.
    Er kroch in den Tunnel, sobald Zoe und Lily im anderen verschwunden waren – knapp eine Sekunde bevor Judahs Trupp in die Kammer stürmte.

    Zur gleichen Zeit eilten vier kleine Gestalten über das hohe Aquädukt, das den linken Seitenarm der Schlucht überspannte.
    Sie wurden von dem etwas eigentümlichen, aber fest entschlossenen Pooh Bear geführt und sahen aus wie ein Trupp Drahtseiltänzer. Aber sie schafften es hinüber und verschwanden in einem schmalen, etwa einen Meter hohen Tunnel auf der anderen Seite.

    Marschall Judah

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