Das Teehaus im Grünen
sagte sie: »Ich mag sie sehr, und du, Lucy?«
»Ich auch. Aber es ist schade: sie ist so — na, fast wie ein scheues Kaninchen. Das rührt sicher von der strengen Erziehung durch ihren Vater her und von der Ehe mit einem Mann, der ziemlich viel älter ist als sie selbst. Aber sie wird uns eine gute Nachbarin sein... Doch jetzt muß ich fort und mir den seltsamen Geschäftsmann anschauen. Morgen bist du dran; da mußt du den Mann an der Tankstelle erobern. Wir brauchen Öl, und bei dieser Gelegenheit kannst du ihm von unserm Tea-Room erzählen.«
Der Laden hatte ein mächtiges Aushängeschild, und das Schaufenster war ganz voll mit Waren. Auch das Haus war hübsch; eine Frau in mittleren Jahren fegte den Gartenweg. Lucy trat ein; im ersten Augenblick konnte sie niemanden entdecken. Dann aber sah sie ihn bei dem zweiten Fenster. Er war ganz in seine Arbeit versunken: er bemalte eine große Leinwand, auf der ein sehr blauer Himmel, eine leuchtend grüne Wiese, ein merkwürdiger Baum und eine goldgelbe Kuh zu sehen waren. Lucy schauderte bei diesem Anblick. Kein Wunder, daß Nan gemeint hatte, der Ladeninhaber solle lieber Häuser anmalen.
Schließlich bemerkte er sie und kam mit tieftraurigem Gesicht auf sie zu. Er war ein hochgewachsener älterer Mann, und alles an ihm war grau: die Augen, die Haare, der Schnurrbart und auch die Kleidung. Er begrüßte sie mit leiser Stimme, und sie erklärte ihm, wer sie sei und was sie für Pläne mit dem Haus unter den Bäumen hätten. Während er zuhörte, schienen sich seine Schnurrbartspitzen noch weiter zu senken, und er schüttelte traurig den Kopf.
»Hier ist kein guter Platz für so etwas. Es sind nur zehn Meilen bis zur Stadt, und die Leute rasen vorbei. Die machen sich gar nicht erst die Mühe zu stoppen.«
»Wir brauchen ein auffallendes Schild, so eines, wie Sie es an Ihrem Laden haben. Haben Sie das selbst gemalt?«
Er bejahte, und sie fragte freundlich: »Könnten wir bei Ihnen wohl eines bestellen? Ich habe immer so gern malen wollen, aber ich kann es nicht. Könnten Sie wohl eine riesige Teekanne malen oder einen Wasserkessel?«
Seine Augen leuchteten auf, aber er antwortete bekümmert: »Eine Teekanne taugt nichts. Heutzutage wollen alle Kaffee trinken.«
»Dann vielleicht eine schöne Kaffeekanne oder ein paar Tassen... oder was Sie meinen«, schloß sie verzweifelt, denn sein ablehnender Blick ging ihr auf die Nerven.
»Das ist alles nichts. Am besten wäre eine Flasche Bier. Die würde die Arbeiter anlocken.«
Lucy lachte. »Dafür haben wir keine Lizenz, das geht also nicht.« Nun sah er völlig hoffnungslos drein. Schließlich überredete sie ihn doch noch dazu, für sie ein Wirtshausschild zu entwerfen. »Es ist uns alles recht, was Sie malen, wenn es nur groß und auffallend ist.« Endlich sah sie doch die Schaffensfreude in seinen trüben Augen aufleuchten und dachte: Augenscheinlich ist er so eine Art verhinderter Künstler. Schleunigst sprach sie dann von ihrer Absicht, ihren Bedarf in seinem Geschäft einzukaufen. Alsbald verschwand das Leuchten aus seinen Augen, und er wurde noch trübseliger als zuvor.
»Wir haben nicht den richtigen Laden für Ihre Ansprüche. Wir haben nur ein kleines Geschäft.«
»Aber Sie haben eine schöne Auswahl, und wir möchten lieber am Ort einkaufen. Wieviel Rabatt könnten Sie uns bei größeren Bestellungen geben?«
»Für Sie wäre es besser, wenn Sie in Homesward einkauften... in einem von den Supermärkten, die so billige Angebote machen. Ich führe keine Spezialitäten.«
»Ich mochte aber nicht mit einem Supermarkt verhandeln. Wir wollen immer bar bezahlen und brauchen nur ganz normale Sachen. Unsere kleinen Spezialitäten für den Tea-Room bereiten wir selbst zu.«
»Wollen Sie sich nicht lieber gleich aufhängen?« sagte er fast schadenfroh, bot ihr dann aber doch einen sehr großzügigen Rabatt an.
»Sie können es ja versuchen; aber Ihr Tea-Room wird bestimmt nicht florieren!«
Auf diese entmutigende Bemerkung hin wollte sie gerade gehen, da trat die Frau, die sie vorhin im Garten gesehen hatte, mit freundlichem Gruß in den Laden.
»Sie sind sicher die junge Dame, die Mr. Seymours Haus gekauft hat. Ja, ja, wir haben schon von ihnen gehört und uns gefragt, was Sie mit dem Haus machen wollen. «
Lucy erzählte von ihren Plänen; sie hörte interessiert zu und nickte Zustimmung. Sie war genau das Gegenteil von ihrem Mann: frisch und lebendig und voller Optimismus. Als Lucy sagte: »Ihr Mann
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