Das Teehaus im Grünen
Essen anbelangt?«
»Allerdings, und auch bei den Getränken muß man Rücksicht nehmen. Aber das regt mich nicht weiter auf. Wir haben kaum alkoholische Getränke im Haus. Von der Sherry- und der Kognakflasche habe ich die Etiketten abgekratzt, für den Fall, daß sie mal im Wandschrank stöbert. Das macht mir nichts aus. Schwieriger ist die Sache mit den Spinnen, den Bienen und Wespen. Vor denen habe ich ziemlich viel Angst.«
»Aber Sie haben doch beide viel zuviel zu tun, als daß Sie auch noch auf ihre Launen achten könnten.«
»Ach, das ist doch ganz einfach. Es ist nur ungeschickt von den Leuten, sie in Harnisch zu bringen. Warum soll man ihr sagen, daß etwas mit gewöhnlichem Mehl gebacken ist? Sie kann den Unterschied ja gar nicht feststellen.«
Er war verdutzt. »Machen Sie das immer so? Binden Sie den Leuten öfter einen Bären auf, um sie zufriedenzustellen?«
Sie merkte, daß sie einen Fehler gemacht hatte, und versuchte sich zu verteidigen. »Finden Sie, das wäre gelogen? Darf man den Menschen nicht auch einmal etwas vormachen? Dann lüge ich eben hin und wieder. Das machen alle. Aber meine kleinen Geschichten tun keinem weh. Sie beruhigen nur.«
Und da er sie immer noch forschend ansah, fügte sie bittend hinzu: »Ist es denn gar so schlimm, wenn ich Mrs. Kelston erzähle, ich nähme ihr Reform-Mehl, obwohl es mir zufällig ausgegangen ist? Sie ist alt und ein bißchen komisch, und der Gedanke, gewöhnliches Brot zu essen, würde sie schrecklich aufregen. Ich bin eben immer drauf aus, die Menschen zufriedenzustellen.«
»Das ist eine gefährliche Philosophie, die Sie leicht in Schwierigkeiten bringen könnte.«
»Manchmal schon, aber es lohnt sich trotzdem.« Mit einem bezaubernden Lächeln fuhr sie fort: »Sie finden das nicht ganz richtig, nicht wahr? Halten Sie es für sehr schlimm?«
Er ließ sich nicht dazu verleiten, seine persönliche Ansicht zu äußern, sondern behandelte die Angelegenheit sehr diplomatisch. »Ich selbst halte nichts von Ausflüchten, aber vielleicht haben Sie recht. Jeder schwindelt gelegentlich einmal.« Und nachdrücklich setzte er hinzu: »Aber man sollte es nicht zum Spaß tun und es nicht zur Gewohnheit werden lassen.«
Mit einem Male wurde Vicky ganz sanft. »Ich weiß, es ist eine schlechte Angewohnheit, und ich versuche auch, sie abzulegen. Aber es ist die einzige Methode, um Mrs. Kelston bei guter Laune zu halten.«
»Ist das denn wirklich so wichtig?«
»Es wäre doch schrecklich, wenn sie hier dasselbe Theater aufführte wie in der Pension. Das würde dem armen Harry noch mehr zusetzen. Es sind ja nur lauter harmlose Schwindeleien. Jemandem, den ich wirklich gern habe, würde ich nie etwas vormachen. Zu Lucy sage ich immer nur die reine Wahrheit.«
Er mußte lächeln, und Vickys Herz wurde plötzlich ganz leicht. Endlich blickte er sie an wie andere Männer auch; sie wußte sehr genau, daß er nun nie wieder so zurückhaltend und kühl wie früher sein konnte. Mochte er ruhig einmal aufbrausen oder sogar ärgerlich werden, das war immer noch besser als diese strikte Zurückhaltung.
Sie war selbst verwundert, daß sie sich soviel Mühe mit ihm gab und daß ihr Erfolg sie so beglückte. Eigentlich war er doch Lucys Freund!
Im selben Augenblick trat Lucy ins Zimmer. »Wissen Sie schon, daß wir einen Pensionsgast haben? Harry hat sehr viel für uns getan, und eine traurige Geschichte bringt Vickys Herz zum Schmelzen. Ein wenig hat sie das aber wohl schon bedauert, als sie Mrs. Kelstons Vorliebe für Insekten, besonders für Spinnen, entdeckte. Außerdem gibt es auch Schwierigkeiten mit dem Essen.«
»Damit weiß sie anscheinend fertigzuwerden. Sie hat da einige kleine Tricks, um die alte Dame zu beruhigen.«
»Ich meinerseits bin mehr für die schlichte Wahrheit. Aber Vicky hat das nun einmal so angefangen. Ich weiß selbst nicht, wie sie sonst mit Mrs. Kelstons Launen fertigwerden sollte. Sie soll ja nur zwei oder drei Tage bleiben, aber Harry wird kaum einen anderen Platz für sie finden.«
»Wäre es nicht das einfachste, sie in einem Altersheim unterzubringen?«
»Wie können Sie nur an so etwas denken?« Vicky war empört. »Da wäre die arme alte Frau todunglücklich. Dort ist alles so hygienisch, es gibt keine Spinnweben und nicht die kleinste Raupe. Hier ist sie glücklich, und wenn ich sie auch mal ein bißchen anschwindeln muß, ist es hier für sie immer noch besser als in einem Heim.«
»Das ist sehr freundlich von Ihnen gedacht. Und
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