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Das Teehaus im Grünen

Das Teehaus im Grünen

Titel: Das Teehaus im Grünen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Scott
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erzählen, Dan habe eine kranke Mutter, die operiert werden müßte; oder eine Schwester, die sich und ihre Kinder mühsam durchbrachte, weil ihr Mann an der Schwindsucht gestorben war. Oder Dan hätte das Geld genommen, um ihr selbst zu helfen, weil sie Schulden hätte. Alle diese Entschuldigungsgründe gab ihr ihre blühende Phantasie ein, doch sie verwarf sie alle wieder, wenn auch mit einem gewissen Bedauern. Noch vor drei Monaten hätte sie solche Ausreden ohne Hemmungen vorgebracht und Seymour dabei treuherzig und bekümmert angeschaut. Jetzt aber brachte sie das nicht fertig; sie konnte ihn nicht anlügen. Wohl zum erstenmal in ihrem Leben gestand sie sich ein, daß diese Ausreden, und mochten sie hier auch einem guten Zweck dienen, im Grunde einfach Lügen waren.
    So sagte sie nur: »Ich weiß nicht«, und senkte traurig den Kopf.
    Mit unergründlichem Ausdruck sah er sie an und fragte in völlig verändertem Ton, weich und liebevoll: »Es liegt Ihnen wohl sehr viel daran?«
    Vicky dachte an Nan und ihre Tränen, an Jack und sein unglückliches Gesicht, als sie ungestüm antwortete: »Ja! Sehr viel!« Er schwieg, und sie dachte schon: Jetzt sagt er bestimmt ja. Er liebt mich doch so, daß er es mir nicht abschlagen kann. Und sie stellte sich vor, wie schön es sein würde, wenn sie zu Nan sagen könnte, sie habe es geschafft.
    Sie blickte zu ihm auf und wiederholte: »Sehr viel, Mr. Seymour! Ich habe selbst ein bißchen Geld auf der Bank.« Den stolzen Unterton konnte sie nicht unterdrücken; nur selten hatte sie Geld auf der Bank gehabt! »Es ist von dem Kaufpreis für mein Elternhaus übrig. Wollen Sie es annehmen und damit einen Teil von Dans Schulden decken?«
    Nun war er seiner Sache sicher, für ihn als Rechtsanwalt war das der Beweis. Wenn sie auf diese Weise dem jungen Gauner helfen wollte, mußte sie ihn lieben. Es war zwar unfaßbar, daß Vicky mit ihrem gesunden Menschenverstand sich so täuschen ließ; aber die Frauen waren nun einmal so, sagte er sich, und der Bursche verfügte wohl über eine Menge Charme. Ruhig entgegnete er: »Das wird nicht nötig sein.«
    »Sie räumen ihm also noch eine weitere Frist ein?« rief sie freudig.
    In einer törichten und zugleich hoffnungslosen Aufwallung erwiderte er: »Wenn Sie es so gern wollen und wenn Ihnen soviel daran liegt...«
    Vickys Innerstes war in Aufruhr. Was meinte er nur? Er konnte doch nicht, wie Lucy ihr prophezeit hatte, annehmen, daß sie Dan liebte! Wenn er das glaubte, kannte er sie nicht. Also liebte er sie auch nicht. Das hatte sie sich wohl nur eingebildet. Keiner, der sie liebhatte, konnte glauben, daß sie solch einen Grünschnabel, solch einen charakterschwachen Kerl... Freilich, Seymour war viel älter, er war ein gesetzter Mann, er mußte sie für ein albernes, oberflächliches Geschöpf halten. Diese Vorstellung demütigte sie tief; sie wußte nicht, was sie erwidern sollte. Zornig fühlte sie, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen, und sie wischte sie ungeduldig weg. Sie wollte ihm gerade erklären, daß sie für Dan nicht das geringste übrighabe, daß sie nur Nan, voreilig wie sie nun einmal war, ihren Beistand versprochen hätte.
    Doch er ließ ihr keine Zeit. Er sah ihre Tränen und sagte ruhig: »Ich verstehe. Wir wollen nicht weiter darüber sprechen. Machen Sie sich keine Sorgen. Ich werde ihn nicht anzeigen.« Damit wandte er sich um und ging mit langen Schritten zu seinem Wagen. Daß er eigentlich gekommen war, um Lucy bei ihrer Buchhaltung zu helfen, hatte er ganz vergessen.
    Langsam ging Vicky durch den Garten; um die Eiche, an der noch immer der Bienenschwarm hing, machte sie einen großen Bogen. An einer Stelle, wo sie vom Haus aus nicht gesehen werden konnte, setzte sie sich ins Gras und ließ ihren Tränen freien Lauf. Alles war verdorben! Schlimmer noch! Sie hatte einen törichten Traum geträumt. Nicht einmal ein freundliches Gesicht würde er ihr in Zukunft zeigen. Sie riß sich zusammen und gestand sich: Ich dachte, erfühlt noch etwas anderes als Freundschaft für mich. Aber ich habe mich geirrt. Ich bin eine dumme Gans. Aus ihrer Kehle kam ein Schluchzer, über den sie selbst erschrak.
    Da sah sie durch die Bäume, wie ein Auto vorfuhr, und hörte eine Stimme: »Das ist ja ein herrliches Fleckchen! Ich habe mächtigen Durst. Wir wollen hineingehen und schauen, ob es hier einen guten Tee gibt!«
    Eine fünfköpfige Gesellschaft kam plaudernd und lachend den Weg herauf. Vicky erhob sich seufzend. Wenn man

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