Das Teekomplott - Ostfrieslandkrimi
einem der jungen
Männer verlobt, Frau Krayenborg. Und Sie wollen mir erzählen, dass Sie sich an
nichts mehr erinnern? Warum, frage ich Sie, sind Sie dann so aus dem Häuschen
geraten, als Sie dieses Foto in die Finger bekamen? Und warum zwingen Sie sich
jetzt, es nicht anzusehen, obwohl Sie ganz offensichtlich nichts lieber täten?“
Fenna schlug die Hände vors
Gesicht und fing bitterlich an zu weinen. Ihr ganzer Körper erschauerte in
herzzerreißenden Schluchzern. In diesem Moment hasste Büttner seinen Job. Es
fühlte sich nicht richtig an, diese gebeutelte Frau unter Druck zu setzen. Aber
es blieb ihm nichts anderes übrig. Vielleicht musste er tatsächlich erst einen
Zusammenbruch der alten Dame provozieren, um ein wenig Licht in diese
Geschichte zu bringen. Gerade wollte er seine nächste Frage platzieren, als
plötzlich die Tür aufging und eine Frau das Zimmer betrat.
„Was ist denn hier los?“, fragte
sie streng, als sie die völlig aufgelöste Fenna sah.
„Darf ich fragen, wer Sie sind?“,
stellte Büttner die Gegenfrage.
„Mein Name ist Kirsten Dettmer.
Ich bin die Tochter dieser Frau. Und wer, bitte schön, sind Sie?“
„Die Herren sind von der Polizei,
Kirsten“, flüsterte Fenna.
„Und was gibt Ihnen das Recht,
meine Mutter in eine solche Aufregung zu versetzen?“ Sie bedachte Büttner und
Hasenkrug mit einem vernichtenden Blick, setzte sich dann neben die alte Frau
aufs Sofa und legte ihre tröstend den Arm um die Schulter.
„Wir versuchen, den gewaltsamen
Tod Ihres Vaters aufzuklären, Frau Dettmer“, antwortete Hasenkrug ruhig.
„Seien Sie doch einfach nur froh,
dass er tot ist“, sagte die Tochter gallig und sah ihn mit zusammengekniffenen
Augen an, „das sind wir schließlich alle. Egal, wer dieses Arschloch umgebracht
hat, er wird schon einen guten Grund gehabt haben. Nur schade, dass er nicht
schon viele Jahre früher darauf gekommen ist.“
„Das sind harte Worte, Frau
Dettmer“, schaltete sich Büttner ein und musterte sie interessiert. Die Frau
hatte die Fünfzig mit Sicherheit schon deutlich überschritten, sah aber noch
blendend aus. Bestimmt war sie in jungen Jahren eine wahre Schönheit gewesen,
mit ihren langen, kastanienbraunen Haaren und dem schmalen Gesicht, das
dominiert wurde von einem vollen Mund und großen, tiefblauen Augen. „Ihr Bruder
hat Ihren Vater übrigens auch als Arschloch bezeichnet. Sie scheinen sich da
ziemlich einig zu sein.“
„Ich wüsste nicht, warum er
anderer Meinung sein sollte“, erwiderte sie spitz.
„Kennen Sie dieses Foto, Frau Dettmer?“,
wechselte Büttner das Thema und schob ihr die Schwarzweißfotografie über den
Tisch.
Sie sah es sich kurz an und
schüttelte dann den Kopf. „Nein, nie gesehen.“
„Die Herren heißen Tammo
Freerksen und Siebo Manninga. Schon mal gehört?“ Büttner schaute Kirsten
Dettmer direkt ins Gesicht, nahm aber aus dem Augenwinkel war, dass Fenna bei
dem Namen ihres ehemaligen Verlobten kurz zusammenzuckte.
„Nein, sagt mir nichts.“
„Dieses Foto hat am vergangenen
Dienstag einen heftigen Streit zwischen Ihren Eltern ausgelöst“, bemerkte
Hasenkrug.
„Einen Streit ? Zwischen
meinen Eltern?“ Die Frau lachte kurz und schroff auf. „Ganz bestimmt hat es
keinen Streit gegeben. Vielmehr wird mein Vater meine Mutter angebrüllt und
sie verprügelt haben, während sie zum wiederholten Male um ihr Leben bangte.
Das kann man wohl schwerlich einen Streit nennen.“
„Sie können sich also nicht
vorstellen, was es mit diesem Foto auf sich hat“, sagte Büttner, ohne auf ihre
Bemerkung einzugehen.
„Das sagte ich bereits.“
„Gibt es irgendjemanden, dem Sie
den Mord an ihrem Vater zutrauen würden?“
Kirsten Dettmer zögerte kurz,
dann sagte sie: „Haben Sie schon mal bei Hermine Sanders nachgefragt? Die arme
Frau hätte wahrlich allen Grund dazu. Habe mich schon immer gewundert, dass sie
nicht längst eine Kugel zwischen seinen Augen platziert hat.“
„Aber Kind“, flüsterte Fenna,
„wie kannst du nur so was sagen?“
„Weil es die Wahrheit ist, Mama.
Er hat sie schäbig behandelt, genau wie jeden anderen. Aber sie hat ganz
besonders leiden müssen, für eine Sache, an der er mindestens ebenso viel
Schuld trug wie sie. Wenn sie ihn damals überhaupt freiwillig rangelassen hat.“
„Aber Kind ...“, setzte Fenna
nochmals an, schüttelte dann aber nur den Kopf.
„Wovon reden Sie eigentlich, Frau
Dettmer?“, fragte Hasenkrug verwirrt.
„Von Hermine Sanders, sie
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