Das Teekomplott - Ostfrieslandkrimi
du gesehen?
Was hat dieser Kevin gemacht?“
„Er hatte irgendwas in der Hand.
Sah aus wie ein Spaten oder so. Damit hat er rumgefuchtelt.“
Büttner bekam große Augen. Ein
Spaten! Ja, das könnte durchaus die Mordwaffe gewesen sein. „War noch eine
andere Person dabei?“
„Sie meinen Gustav Grensemann?“,
folgerte Amelie messerscharf.
„Zum Beispiel.“
„Nein. Kevin war allein.“
„Und was hatte er dann mitten in
der Nacht auf dem Friedhof zu suchen?“
Amelie zuckte mit den Schultern.
„Keine Ahnung. Da ist er aber öfter nachts und schlägt um sich.“
„Er schlägt auf dem Friedhof um
sich?“ Das wurde ja immer verrückter.
„Ja. Ich glaube, der spielt
irgendwas nach, so Szenen aus irgendwelchen Computerspielen. Er kommt sich dann
ganz stark und mächtig vor, glaube ich. Wissen Sie, Kevin hat einen total
Knall.“
Das kam Büttner allerdings auch
so vor. Es wurde Zeit, sich diesen Kevin mal zur Brust zu nehmen. „Ich danke
dir, Amelie, du hast uns sehr geholfen“, sagte Büttner und wandte sich erneut
der Haustür der Familie Koopmann zu. Die laute Musik, die kurz zuvor noch aus
einem der oberen Fenster gedröhnt hatte, war plötzlich verstummt. Vielleicht
hatten sie ja nun eine Chance, dass irgendjemand im Haus die Klingel hörte.
„Passt schon“, antwortete Amelie
und deutete im selben Moment auf einen Punkt hinter Büttner. „Da ist er ja.“
Büttner und Hasenkrug drehten
sich um und erblickten einen jungen Mann, der um die Ecke des Hauses kam und
völlig in schwarz gekleidet war. Seine Hose schien sich gerade noch so gegen
die Schwerkraft zu stemmen, war aber schon ein deutliches Stück über die Hüften
nach unten gewandert. In Nase, Ohren und Mund trug er diverse Piercings, sein
Kopf war kahl rasiert.
„Kevin Koopmann?“, fragte Büttner
und war sich im selben Moment sicher, dass dies der Mann war, den er während
der Beerdigung kurz oben am Fenster gesehen hatte.
„Wer will das wissen?“
„Kriminalpolizei. Wir hätten ein
paar Fragen an dich. Du wurdest heute Nacht auf dem Friedhof gesehen.“
„Hast du ihnen das gesagt?“,
fragte Kevin und sah finster zu Amelie hinüber.
„Klar“, gab diese unumwunden zu,
ohne seinem Blick auszuweichen.
„Schlampe.“
Amelie zog spöttisch einen
Mundwinkel nach oben. „Was willst du denn, Opfer“, entgegnete sie und streckte
ihm den Mittelfinger entgegen.
„Können wir uns irgendwo anders
unterhalten?“, fragte Büttner und wunderte sich zum wiederholten Mal, welch
interessante Auswahl an Menschen sich in diesem kleinen Dorf versammelt hatte.
„Kommen Sie mit“, sagte Kevin und
schlug wieder den Weg ein, aus dem er gekommen war.
Im Haus der Familie Koopmann ging
es drunter und drüber. Kaum, dass Büttner durch die Terrassentür hereingekommen
war, stolperte er auch schon über einen Spielzeugbagger, der am Boden lag,
woraufhin er von einem kleinen Jungen mit Rotznase finster angesehen wurde. In
der Küche zankten sich zwei kleine Mädchen um eine Barbiepuppe, und aus einem
anderen Zimmer heraus hörte man das empörte Geschrei eines Babys, das, so
mutmaßte der Hauptkommissar aus Erfahrung, entweder Hunger oder die Windel voll
hatte.
„Chantal und Selina“, hörte man
plötzlich eine Stimme von oben herunter rufen, „hört bitte auf zu streiten und
kümmert euch um Sidney, ich glaube, er hat die Hosen voll!“ Im nächsten Moment
kam eine Frau die Treppe hinunter. Sie sah mager und ausgezerrt aus, lediglich
ihr Bauch zeigte eine deutliche Wölbung. Ihr mittelblondes Haar hatte sie zu
einem straffen Zopf zusammengebunden, ihr blasses Gesicht war schmal und zeigte
erste Falten. Sie trug Jeans und T-Shirt. Es war schwer zu sagen, wie alt sie
war, Büttner schätzte sie auf Ende dreißig. Als sie die beiden Polizisten sah,
zog sie fragend die Augenbrauen in die Höhe.
„Moin, Frau Koopmann“, sagte
Büttner, reichte ihr die Hand und stellte sich und seinen Kollegen vor.
„Polizei“, fragte sie und schaute
ihren ältesten Sohn besorgt an, „hat Kevin was ausgefressen?“
„Nein, nein“, beeilte sich
Büttner zu sagen, „es geht um den Mord an Gustav Grensemann. Kevin wird nur als
Zeuge befragt.“
„Hast du denn was gesehen?“,
wandte sich die Frau an ihren Sohn. Büttner wunderte sich, wie ruhig sie
sprach. Er hatte jetzt eher erwartet, dass sie anfangen würde zu keifen.
Kevin zuckte mit den Schultern.
„Ich war heute Nacht noch draußen.“
„Ach so“, sagte Ursula Koopmann
bloß und nickte.
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