Das Teekomplott - Ostfrieslandkrimi
nächsten
Welt.“
„Das haben Sie jetzt aber schön
gesagt, Diekhoff“, nickte Büttner. „Frage mich nur, welcher Welt unser Kollege hier gerade näher ist. Ach, Hasenkrug“, wandte er sich dann
seinem Assistenten zu, der gerade neben ihn getreten war und einen ziemlich
erstaunten Gesichtsausdruck machte, „schön, dass Sie kommen.“ Er zeigte auf
Buurmann. „Gleich kommt der Rettungswagen. Sorgen Sie doch bitte dafür, dass
der alte Herr hier das bekommt, was ihm zusteht. Ich kümmere mich derweil mal
um seine Verwandtschaft.“
22
In der großen Wohnstube von
Hinnerk und Eeske Janssen herrschte verlegenes Schweigen. Lediglich die große
antike Standuhr tickte unablässig mit einem monotonen, metallischen Geräusch
vor sich hin und trug dazu bei, dass die scheinbar endlosen Minuten, die nach
Hauptkommissar Büttners Frage verstrichen, fast unerträglich auf der kleinen,
in diesem Raum versammelten Gesellschaft lasteten. „Scheiß Teil“, brummte
Alrich Buurmann und warf der Uhr einen so vernichtenden Blick zu, als sei diese
Schuld an dem Schlamassel, mit dem er und seine Geschwister hier konfrontiert
wurden. Alrich Buurmann, ein gestandener Maurermeister, war der älteste Sohn
von Menno Buurmann und damit der Bruder von Eeske Janssen, die, nervös mit den
Füßen scharrend, vor sich auf den Boden starrte. Im Sessel ihr gegenüber saß
Engelke Buurmann, der zweitälteste der Geschwister, hielt die Hände gefaltet im
Schoß und schien irgendetwas still vor sich hinzubrabbeln. David Büttner
vermutete, dass er betete, denn Engelke Buurmann war bezeichnenderweise Pastor.
Aber was hätte er mit solch einem Vornamen auch anderes werden sollen, fragte
sich Büttner belustigt, als er den schmalen, blassen Mann da so in sich gekehrt
sitzen sah. Und dann gab es noch den Vierten im Bunde mit Namen Hilko Buurmann.
Er war das Nesthäkchen und um einige Jahre jünger als seine Geschwister. Hilko
tat so, als ginge ihn das Zusammentreffen hier im Hause seiner Schwester nichts
an und sah, um diese Ansicht zu unterstreichen, immer wieder nervös auf seine
Armbanduhr. Hilko war Künstler und hatte in der Kunsthalle Emden eine Vernissage
vorzubereiten und daher keine Zeit, sich mit so Nebensächlichkeiten wie dem
Leben seines Vaters zu befassen, wie er gleich bei seiner Ankunft verkündet
hatte.
So unterschiedlich die
Geschwister auf den ersten Blick auch zu sein schienen, teilten sie doch alle
ein bezeichnendes Merkmal: Jeder von ihnen verfügte über eine rötliche
Haarpracht. Damit stand zweifelsfrei fest, dass sie alle die Kinder ihrer
Mutter Marianne waren. Doch hegte David Büttner nach allem, was er über das
Schicksal der armen Marianne erfahren hatte, Zweifel daran, dass der alte Menno
Buurmann auch tatsächlich ihr Vater war. Und eben diese Frage hatte er ihnen
soeben gestellt.
„Wissen Sie“, durchbrach Alrich
Buurmann als erster die Stille, „ich verstehe nicht ganz, was die Aufklärung
der Morde damit zu tun hat, ob Menno unser leiblicher Vater ist oder nicht. Ich
jedenfalls habe besseres zu tun, als mich hier mit Nebensächlichkeiten
aufzuhalten.“ Er fuhr sich mit der rechten Hand durch seine roten Locken und
fügte dann bitter hinzu: „Ganz egal, was gewesen ist, wir werden es doch
sowieso nicht mehr ändern.“
„Haben Sie denn jemals versucht,
an der unwürdigen Situation Ihrer Mutter etwas zu verändern?“, fragte Sebastian
Hasenkrug, der bisher nur schweigend in seinem Sessel gesessen und die
Anwesenden abwechselnd gemustert hatte.
„Wir waren Kinder ...“, setzte
Engelke Buurmann an, wurde aber durch eine unwirsche Handbewegung von Büttner
sofort unterbrochen.
„Papperlapapp, auf diese Ausrede
habe ich nur gewartet!“, fuhr ihn der Hauptkommissar an. „Ihre Mutter ist vor
rund dreißig Jahren gestorben, da waren Sie alle“, er machte zur
Unterstreichung seiner Worte eine ausladende Bewegung mit dem Arm, „doch längst
erwachsen. Wie ich hörte, hat Ihr Vater Ihre Mutter da aber immer noch an seine
Freunde und Verwandten verschachert ...“
„Reden Sie nicht so über meine
Mutter! Verschachert! Wie hört sich das denn ...“
„Und wie würden Sie das nennen,
was Ihr werter Herr Vater mit seiner Frau gemacht hat, Herr Buurmann?“, fuhr
Büttner erregt dazwischen. „Er hat sie zur Nutte gemacht, Buurmann, zur Nutte .
Und genauso wenig wie alle anderen ehrenwerten Bürger dieses Dorfes sind Sie
Ihrer Mutter zur Hilfe gekommen. Nein“, spuckte er förmlich hervor, „Sie
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