Das Teekomplott - Ostfrieslandkrimi
soeben mit Hermine und Hubert
Sanders im Schlepptau durch das Gartentor trat.
Augenblicklich herrschte eine so
gespenstige Stille im Garten, als hätte irgendjemand den Aus-Schalter gedrückt.
Alle starrten auf die alte Frau und ihren Sohn, die sich, sichtlich
verunsichert, gleich wieder in Richtung Ausgang bewegten. Deike aber schob sie
mit sanftem Druck nach vorne und wies ihnen an einem der Biertische einen Platz
zu. Kaum, dass sie sich mit hängenden und hochroten Köpfen gesetzt hatten,
stand einer der anwesenden Männer schweigend auf, öffnete zwei Flaschen Bier
und stellte sie mit einem lauten Prost! vor den beiden auf den Tisch.
Dann ließ er seine eigene Flasche gegen die der beiden scheppern. Der Bann war
gebrochen. Bereits im nächsten Moment war es, als wäre nie etwas vorgefallen,
und lautes Gelächter und Gemurmel schallte wieder durch das kleine Dorf.
Als Eike Diekhoff und mehrere
andere Bauern vom Melken zurückkamen, hatten sich im Garten bereits rund
sechzig Menschen versammelt, und minütlich schienen es
mehr zu werden. Von allen Seiten wurde ständig Nachschub herangeschafft.
Büttner vermutete, dass es am Ende dieses Abends in keinem der Canhuser
Kühlschränke auch nur noch eine Flasche Bier oder ein Stück Fleisch geben
würde. Selbst Hermine Sanders hatte Hubert einen Fünfzig-Euro-Schein in die
Hand gedrückt, ihn mit einem Fingerzeig in Richtung Hinte losgeschickt, und er
war kurz darauf mit mehreren großen Dosen Speiseeis wieder zurückgekehrt, das
vor allem bei der Kinderschar großen Anklang fand.
Gerade, als Hauptkommissar
Büttner sich an Eeske Janssen, die Tochter von Menno Buurmann wenden wollte,
die inzwischen auch eingetroffen war, sah er seinen Assistenten Sebastian
Hasenkrug sichtlich verwirrt den Garten betreten. Als er seinen Chef entdeckte,
schlug er sich mit der Hand an die Stirn und kam dann geradewegs auf ihn zu.
„Ich dachte schon, Sie wären womöglich in den Canhuser Katakomben verschwunden,
ich habe Sie überall gesucht“, sagte Hasenkrug in beleidigtem Tonfall.
„Sie hätten nur anzurufen
brauchen, meine Handynummer dürfte Ihnen ja bekannt sein“, gab Büttner trocken
zurück.
„Sehr witzig!“, bellte Hasenkrug
und schien nun wirklich sauer zu sein, „was meinen Sie, was ich die ganze Zeit
über getan habe!“
„Ach, tatsächlich?“ David Büttner
kramte umständlich sein Handy aus der Hosentasche. 22 Anrufe in Abwesenheit
vermeldete sein Display. „Hm, muss ich wohl überhört haben. Ist so laut hier.“
„Na prima“, schnauzte Hasenkrug
und ließ seinen Blick über die Mange schweifen, „und was wird hier so ausgiebig
gefeiert?“
„Nachwuchs“, antwortete sein Chef
knapp und nahm einen Schluck Bier.
„Finden Sie es vielleicht richtig
...“, setzte Hasenkrug empört an, wurde aber von seinem Chef mit einer abrupten
Geste am Weiterreden gehindert.
„Nun entspannen Sie sich mal,
Hasenkrug. Haben Sie schon was gegessen? Mögen Sie ein Bier?“
„Nein, danke, ich bin bedient“,
erwiderte der schroff.
„Nun, ich werde mir den Spaß durch
Sie jedenfalls nicht verderben lassen und gönne mir noch ein Steak.“ Büttner
leckte sich über die Lippen. „Wirklich, Hasenkrug, Sie verpassen was, wenn Sie
nichts essen. Das Fleisch – übrigens alles Bio, wie mir Immo Krayenborg
versicherte – ist ganz köstlich. Also vom Grillen verstehen sie was, die
Canhuser. Ich muss schon sagen ...“ In diesem Moment stutzte er. Was hatte
Hasenkrug gerade gesagt? Er war so im Redefluss und voller Vorfreude auf das
nächste Stück Fleisch gewesen, dass er zunächst gar nicht registriert hatte,
dass sein Assistent versuchte, ihn auf dem Weg zum Grill zu stoppen und ihm
irgendetwas zu erklären. Nun meinte er aber das Wort Leiche vernommen zu
haben. „Was sagten Sie da eben?“, fragte er lauernd und hielt in der Bewegung
inne.
„Ach, ist sicherlich nicht so
wichtig, wie Ihr Steak“, meinte Hasenkrug gallig. „Aber wenn Sie es ausreichend
gewürdigt und genossen haben, könnten wir uns vielleicht einem weiteren Stück
toten Fleisches widmen.“
„Wie meinen Sie das?“, fragte der
Hauptkommissar mit rauer Stimme. Doch noch bevor Hasenkrug es ausgesprochen
hatte, wusste Büttner schon, was ihm sein Assistent versucht hatte mitzuteilen:
Es gab eine weitere Leiche.
24
Sebastian Hasenkrug hatte Menno
Buurmann im Krankenhaus nicht mehr angetroffen. Er habe sich eine gute Stunde
zuvor entgegen den ausdrücklichen Rat der Ärzte selbst
entlassen, hatte es
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