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Das Testament der Jessie Lamb: Roman

Das Testament der Jessie Lamb: Roman

Titel: Das Testament der Jessie Lamb: Roman
Autoren: Jane Rogers , Norbert Stöbe
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den ihr ausgearbeitet habt, ist richtig gut.« Er sah vor, massenweise Tickets für Anschlussflüge zu buchen, das Gepäck aufzugeben und dann nicht an Bord zu gehen. Die Flüge würden mit Verspätung starten, da man das herrenlose Gepäck wieder ausladen müsste. Der Flughafen wäre auf Stunden lahmgelegt.
    »Es gefällt mir nicht, dass Iain uns Vorschriften macht.«
    »Aber wenn er das nicht täte, würde nichts passieren. Die Leute würden sich nur streiten.«
    »Iain ist auf einem Machttrip. Der verfolgt seine eigene Agenda.«
    »Und die wäre?«
    »Der Mist mit dem Wahlrecht.« Wir leben nun mal in einer Demokratie. Wir hatten stundenlang darüber diskutiert. Weshalb sollte nicht jeder, der älter als zehn ist, Vertreter wählen dürfen, die im Parlament unsere Interessen wahrnehmen? Wie sollten Kids sonst Macht ausüben? Nat und Lisa aber wandten ein, es wäre sinn los, in dem blöden System mitzumachen. Und Lisa meinte, wieso Iain das nicht egal sei, denn er könne schon wählen, und es habe ihm nicht viel eingebracht. Ich fand eigentlich, dass wir das Wahlrecht bekommen sollten, so wie die Suffragetten. Aber sie machten es herunter. Es entwickelte sich eine dieser endlosen Diskussionen, bei denen am Ende nicht das Geringste herauskam.
    Ich überlegte noch, was ich Nat entgegnen sollte, als wir zur Hauptstraße gelangten und darauf warteten, dass die Fußgängerampel auf Grün umsprang. Ein Wagen, voll besetzt mit jungen Typen, kam angefahren und wurde langsamer, als er an uns vorbeikam. Musik dröhnte heraus, und die Burschen riefen etwas. Dann beugte einer sich aus dem Fenster und spuckte mich an. Ein großer, widerlicher Speichelklumpen landete auf meinem nackten Arm. Ich schrie auf. Ich war nicht verletzt, sondern nur geschockt. Nat raffte in dem hinter uns gelegenen staubigen kleinen Vorgarten eine Handvoll Laub zusammen und schleuderte es dem Wagen hinterher. Ich fragte ihn, was die Jungs gerufen hätten.
    »Irgendwelchen Mist.«
    »Was genau?«
    »Blödsinn. Das waren Idioten.«
    Ich wusste, er hatte etwas gehört, wollte es mir aber nicht sagen. Am liebsten hätte ich die besudelte Hautschicht abgekratzt. Ich war wütend, aber da war auch noch ein anderes Gefühl, das eines Hundes, der angeschlichen kommt, nachdem man ihn ausgeschimpft hat, und beschämt und hoffnungsvoll zu einem aufsieht. Ich wollte, dass sie zurückkamen, damit ich ihnen beweisen konnte, dass ich nicht jemand war, den man anspuckte. Ich riss mich zusammen. »Was hast du vor?«, fragte ich Nat. »Wenn du aussteigst?«
    » ALF . Tierbefreiungsfront. Ich gehe in den Untergrund!« Er wirkte äußerst zufrieden mit sich.
    Ich musste an eine Bemerkung denken, die Lisa bei der ersten Versammlung gemacht hatte. »Du glaubst, das Schicksal der Tiere wiege schwerer als das der Frauen.«
    »Nein, ich glaube, dass MTS aus der Forschung stammt und dass man den Wissenschaftlern das Handwerk legen sollte, bevor sie etwas noch Bösartigeres entwickeln. Findest du es wirklich in Ordnung, Tiere zu quälen?«
    Das tat ich nicht, aber es gab auch Wichtigeres, als auf die Wissenschaftler einzudreschen. Es kam mir kindisch vor, in den Untergrund zu gehen und im Namen des Tierschutzes das Gesetz zu brechen. Ich glaubte, wir könnten mehr erreichen, wenn wir bei YOFI blieben.
    Am nächsten Tag meinte Sal, sie wolle zu den Treffen mitkommen. Das überraschte mich, denn normalerweise war sie ganz von Damien ausgelastet. Aber sie kam zu mir und trank mit mir Tee, und dann spazierten wir beide zum Gemeinschaftszentrum, und ich fragte sie, was mit Damien sei.
    »Spielt Fußball.«
    Er arbeitete im Freizeitzentrum, deshalb wunderte mich das nicht. »Er ist besessen davon«, sagte Lisa.
    »Wie meinst du das?«
    »Seine Fußballkumpel. Sie treffen sich jeden Abend.«
    » Jeden Abend?«
    »Na ja. Ungefähr viermal die Woche. Zum Trainieren und um einen zu trinken, meint er.«
    »Glaubst du, er hat eine andere?«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Er ist ein Arsch.« Das klang so, als wär’s ihr schnuppe. Typisch Sal.
    »Sal?«
    »Ach, er ist einfach seltsam.«
    Es musste sich um etwas Peinliches handeln, denn sonst erzählte sie mir alles Mögliche. Dann sagte sie unvermittelt: »Ich glaube, vielleicht ist er schwul.«
    »Das ist ja goldig!«, entfuhr es mir, und wir mussten beide lachen. Ich dachte an die Gelegenheiten, bei denen er seine Hände nicht bei sich hatte halten können.
    »Er hat sich verändert«, beharrte sie. »Ich kann’s nicht erklären, aber er
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