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Das Testament der Jessie Lamb: Roman

Das Testament der Jessie Lamb: Roman

Titel: Das Testament der Jessie Lamb: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Rogers , Norbert Stöbe
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als sein Besitzer am Wagenfenster auftauchte.
    Beide sahen mich an, als wäre ich eine Außerirdische. Dann erwischte ich Mum allein in ihrem Schlafzimmer und bat sie, mich zum Treffen der Mütter für das Leben zu begleiten.
    »Jess, ich tue alles, was du willst – was immer du willst, aber du musst auf mich und Joe hören.«
    »Ich höre auf euch. Ich habe auf euch gehört. Kommst du heute Abend mit?«
    »Du hörst nicht auf uns. Du lässt nichts an dich ran.«
    »Ich habe bereits darüber nachgedacht, Mum. Seit Wochen denke ich darüber nach. Heute Abend?«
    Sie seufzte und schnitt eine Grimasse, weigerte sich aber nicht.
    Als wir in den Wagen stiegen, waren beide in ein grimmiges Schweigen verfallen. Dieses Schweigen ist wie ein Kraftfeld, es gibt einfach kein Durchkommen. Ich machte keine Bemerkung darüber, dass wir mit dem Auto fuhren. Es wäre unfair gewesen, deswegen einen Aufstand zu machen.
    Als wir Mum abgesetzt hatten, redete Dad immer noch nicht mit mir. Erst als wir über den Parkplatz zum Labor gingen, brach er sein Schweigen. »Ich möchte, dass du dir etwas ansiehst.« Seit dem Tag meiner medizinischen Untersuchung war ich nicht mehr im Labor meines Dads gewesen. Als er den Code eingab und mir die Tür aufhielt, stieg mir wie jedes Mal der wundervolle Geruch in die Nase, der in meinem Kopf auf einen Musikantenknochen trifft.
    Ich dachte an meine vielen Besuche im Labor meines Dads. Ich hatte darauf gewartet, dass er mit der Arbeit fertig wurde, hatte mit Ali geplaudert, durchs Mikroskop geschaut. Heute aber war alles anders. Das Labor war so voll, dass man sich kaum bewegen konnte. An der einen Wand waren Kühlschränke gestapelt. Alle waren mit gelb-schwarzem Plastikband umwickelt, wie es auch an Tatorten verwendet wird. Ich fragte ihn, was das zu bedeuten habe.
    »Gestern haben die FLAME -Frauen noch den Eingang belagert«, antwortete er. »Aber seit letztem Donnerstag sind sie nicht mehr nach hinten gekommen und haben nicht versucht einzudringen. Wir haben die Kühlschränke nach unten gebracht und die Sicherheitsvorkehrungen erhöht.« Ich hängte meine Jacke an den Türhaken und setzte mich auf einen der hohen Hocker am Arbeitstisch. »Ich muss ein paar Sachen zur Morgenambulanz hochbringen, dann statten wir den Schlafenden Schönen einen Besuch ab.« Er hat mich noch nie auf die Station mitgenommen – bisher kenne ich nur die Labors. Im kleinen Waschraum schrubbte er sich, wechselte die Kleidung und zog einen weißen Kittel an. »Du auch«, sagte er. »Du kannst Alis Kittel nehmen.« Er nahm Gestelle mit Teströhrchen aus dem Sterilisator und stellte sie auf einen Handwagen; Fläschchen mit klarer Flüssigkeit, vakuumverpackte Instrumente.
    Ich wollte mich nach dem Tatortband erkundigen, doch etwas hielt mich davon ab. Irgendwie hatte ich den Eindruck, in den Kühlschränken lägen Leichen. Ich schrubbte mir die Fingernägel mit der prickelnden Seife und schaltete auf das Thema Morgenklinik um. Was um Himmels willen machten sie in der Klinik? »Ich dachte, es würden keine künstlichen Befruchtungen mehr durchgeführt?«
    »Das stimmt. Es geht um Eizellenspenden. Was glaubst du wohl, wie wir die Forschungslabors mit Embryos versorgen? Wir befruchten so viele Eizellen wie möglich, wir sind eine Embryofabrik.«
    »Und mit den Embryos werden Experimente durchgeführt wie in Wettenhall?«
    Er setzte den Karton ab, den er in Händen hielt. »Ja, Jess. Hast du mir nicht zugehört, als wir uns am Staubecken unterhalten haben? Begreifst du nicht, wie intensiv geforscht wird, um einen Ausweg zu finden?« Er deckte den Handwagen ab und schob ihn durch die Schwingtür, und ich knöpfte mir den weißen Kittel zu. Es war das erste Mal, dass ich an die Spenderinnen dachte – abgesehen von denen im Fernsehen, die gegen Tierlabore kämpften und Aufstand machten. Dabei kamen täglich Frauen in die Klinik, um Eizellen zu spenden. Sie nahmen Medikamente ein, damit sie häufiger einen Eisprung hatten, dann unterzogen sie sich der Entnahmeprozedur. Sie kamen ohne großes Aufheben und spendeten ihre Eizellen, um einen Beitrag zur MTS -Forschung zu leisten.
    Als Dad wiederkam, hatte ich Mut gesammelt und erkundigte mich nach den Kühlschränken.
    »Da sind Prae- MTS -Embryos drin.«
    »Weshalb hat die Polizei sie mit Plastikband gesichert?«
    »Weil sie dem Staat gehören.«
    »Dem Staat?«
    »Ich dachte, du wüsstest, worauf du dich einlässt?«
    »Das tue ich.«
    »Na schön«, sagte er. »Jetzt möchte ich,

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