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Das Testament des Satans

Das Testament des Satans

Titel: Das Testament des Satans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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durch die in der engen Felsnische verwirbelnden Wogen, stolpere die schmalen Stufen hinauf und erreiche den Treppenabsatz unterhalb der Kapelle.
    Blick nach unten: Die rostige Kette hängt gespannt über dem tosenden Wasser, die Reuse ist nirgendwo zu sehen.
    Wie gelähmt starre ich einen Augenblick hinab, von einer Erinnerung überwältigt, die keine ist: Rozenn zwischen den hohen Wogen des stürmischen Atlantiks. Verzweifelt schluchzend vor Enttäuschung und Einsamkeit, benommen vor Erschöpfung, zitternd vor Kälte sich gegen die Wucht der Wellen stemmend, aufgebend, sterbend. Ein letzter Blick zum Himmel. Dann nur noch das Meer, das über ihr zusammenschlägt, der Sog, der sie mit Macht nach unten zieht, und die Finsternis des bodenlosen Abgrunds … Später, viel später wird ihr zerschmetterter Körper in der Brandung zwischen den steilen Klippen gefunden …
    Ich schüttele die Erinnerung ab.
    Von der obersten Stufe werfe ich mich kopfüber ins Wasser und tauche unter.
    Die Reuse liegt direkt vor den Stufen. Durch das Drahtgeflecht berühre ich Alessandra an der Schulter.
    Sie rührt sich nicht.
    Ein Hummer schnappt nach mir. Hastig ziehe ich meine Hand zurück und zerre an dem Riegel herum, mit dem Abelard die kleine Luke verschlossen hat. Er klemmt.
    Kurz entschlossen schwimme ich zurück zur Treppe, steige aus dem wirbelnden Wasser und ziehe die Reuse Stufe für Stufe hinter mir aus dem Wasser heraus.
    Während der Sturzregen auf mich niederprasselt und das Wasser mir in die Augen rinnt, mache ich mich wieder über den rostigen Riegel her. Mit dem Griff meines Dolches hämmere ich so lange dagegen, bis er mit einem Quietschen nachgibt.
    »Alessandra?«
    Sie hängt vornübergebeut in der engen Reuse und rührt sich nicht. Ich berühre ihr wirres Haar. Es fühlt sich kalt an.
    »Alessandra!«
    Keine Reaktion.
    Ich packe sie an den Schultern und richte sie auf. Ihr Kopf sackt gegen das Drahtgeflecht. Ein Hummer glotzt mich mit seinen schwarzen Augen an, die Scheren kampfbereit gehoben. Rasch packe ich ihn, ziehe ihn aus dem Käfig und schleudere ihn ins Meer.
    Dann beuge ich mich wieder über die Reuse, schiebe den Arm bis zur Schulter durch die Luke und taste nach einem Halt an ihrem Körper. Aber ich schaffe es nicht, immer wieder rutsche ich ab. Also gut, dann eben auf die bretonische Art: Ich lege meinen Arm um ihre Schultern, als wollte ich sie auf hoher See aus Seenot retten, und zerre sie durch die enge Luke.
    Ja, so geht es!
    Sie gleitet aus dem engen Käfig heraus und fällt so schwungvoll auf mich, dass ich rückwärts auf die Stufen pralle. Mit den Füßen taste ich nach der Reuse und schiebe sie mit einem kräftigen Tritt ins Wasser zurück. Dann richte ich mich auf, nehme Alessandra in die Arme und trage sie die wenigen Stufen zum Absatz hinauf, wo die beiden Treppen zusammentreffen. Dort lege ich sie auf den Boden.
    Sie ist kalt wie der Tod. Ihre Haut ist bleich wie Kerzenwachs. Ihre Augen sind geschlossen. Sie atmet nicht mehr.
    Allmächtiger Gott, tu mir das nicht an! Erst Rozenn und jetzt auch noch Alessandra!
    Als ich mit Tränen in den Augen aufblicke, sehe ich durch den dichten Regenschleier die sich nähernden Fackeln.
    Sie kommen. Wir müssen hier weg.
    Ich schüttele Alessandra an den Schultern.
    Nichts.
    Ich schlage ihr ins Gesicht.
    Nichts.
    Ich beuge mich über sie, halte ihr die Nase zu, öffne ihre Lippen und beatme sie. Meine Hand auf ihrem Brustkorb hebt sich. Gut. Weiter. Beatmen. Ein Mal. Zwei Mal. Drei Mal. Mit beiden Händen stemme ich mich auf ihren Brustkorb, um sie zu reanimieren. Ich kann ihre Rippen unter meinen Händen spüren. Ein Mal. Zwei Mal. Drei Mal. Nichts, keine Reaktion. Also weiter. Beatmen. Reanimieren. Nichts. Beatmen. Reanimieren. Immer noch nichts. Sie rührt sich nicht.
    Der Fackelschein kommt trotz des Sturzregens immer näher, obwohl meine Konfratres auf den steilen, glitschigen Felsen nicht sonderlich schnell vorankommen.
    Beatmen. Reanimieren.
    Kaum wahrnehmbar kann ich unter meinen Händen einen Herzschlag spüren. Ich taste nach ihrer Halsschlagader. Ja, da ist was, ganz leise, ganz schwach, wie die Bewegungen eines aus dem Nest gefallenen und zu Tode erschrockenen Spatzenkükens in meiner Hand!
    Nochmal!
    Ich lege meine Lippen auf ihre und hauche ihr Leben ein.
    Das Herz schlägt kräftiger.
    Nochmal!
    Mein Beatmen ist wie ein leidenschaftlicher Kuss.
    Ihre Lider flattern.
    Meine Verzweiflung wird von einer Woge der Erleichterung

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